Wahlpropaganda Wahlpropaganda: AfD nutzt München-Attentat für rechte Hetze

Berlin - Als die ersten Meldungen von einer Schießerei durchs Netz rasten, hatte Marcus Pretzell unfreiwillig einen ziemlich klugen Gedanken. „Jetzt nicht verallgemeinern“, mahnte der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende am Freitag kurz nach 19 Uhr bei Twitter. Doch sein ironischer Zusatz („Sicher ist nur, dass Waffenbesitzer schuld sind, oder?) konterkarierte die Aussage. Man konnte ahnen, wie die rechtspopulistische Partei die tödlichen Schüsse von München ausschlachten würde.
Tatsächlich versuchte zwei Stunden später AfD-Sprecher Christian Lüth erst gar nicht, den Eindruck der parteitaktischen Trittbrettfahrerei zu kaschieren. Während zahlreiche Opfer noch um ihr Leben kämpften, twitterte er: „AfD wählen! Schüsse am Olympia Einkaufszentrum: Tote in München - Polizei spricht von Terrorlage.“ Zwar löschte Lüth den Eintrag kurz darauf wieder. Sein neuer Tweet („Mal sehen, ob Künast wieder die Polizei kritisiert...“) zeugt aber von ähnlich zynischer Teilnahmslosigkeit.
Weder die Identität des Schützen, noch sein mögliches Tatmotiv waren bekannt, als sich kurz darauf der sachsen-anhaltinische AfD-Chef André Poggenburg zu Wort meldete. „Merkel-Einheitspartei: Danke für den Terror in Deutschland und Europa“, ätzte er. Später legte der Rechtsaußen nach: „Ausländische Presse berichtet lange von Islamterror in München. Deutsche verblendete Gutmenschen geifern aber herum. Ihr habt Mitschuld!“ Er empfinde Mitgefühl mit den Opfern, doch seine Abscheu gelte „den Merklern und Linksidioten, die Mitverantwortung tragen.“
Die „Linksidioten“ als Verantwortliche? Auch um Mitternacht war die Lage völlig unklar. Doch für AfD-Chefin Frauke Petry stand schon fest, welche Konsequenzen aus dem vermeintlich islamistischen Terrorakt zu ziehen seien: „Wenn das Normalität 2016 ist, will ich nicht mehr normal sein. #afdwählen“, nutzte sie den Tod mehrere Menschen zur Propaganda. Nun drängte es Petrys Lebensgefährten Pretzell ebenfalls zu einem Bekenntnis: „Um es mal frei nach Angela M. zu sagen. Es fühlt sich nicht mehr an wie mein Land.“#
Solche Gefühle sind offenbar keine AfD-Spezialität. Maximilian Krah, seines Zeichens Mitglied im Dresdner CDU-Kreisvorstand und immerhin Rechtsanwalt, erfuhr bei einer München-Visite im Biergarten am Chinesischen Turm von der Schießerei. Bei Twitter verstieg sich der Unionspolitiker, der für den Bundestag kandidieren möchte, zu der Bemerkung: „Das muss der Wendepunkt sein: Die Willkommenskultur ist tödlich.“
Tags darauf erklärte die Staatsanwaltschaft: Der Täter hatte weder Flüchtlingsbezug noch politische Motive. Mit Islamismus hat der schreckliche Amoklauf nichts zu tun. Die Opfer sind überwiegend Migranten. Für die AfD ist das kein Anlass zur Entschuldigung. CDU-Mann Krah beklagte sich in der Sächsischen Zeitung ernsthaft über die massiv kritischen Reaktionen auf seinen Tweet im Netz: „Die nun einsetzende Hexenjagd lässt jedes Maß vermissen.“