Wahlkampf Wahlkampf: Politik ist auch nur ein Auto

KÖLN/MZ. - Ganzklar.
Denn der Erfolg ist phänomenal. "17000!!!Besucher auf unserm Wahlblog an einem Tag!"jubelte gestern Vera Lengsfeld auf ihrer Homepage."Plakat ist ein Riesenerfolg!" Tatsächlichdarf man jede Wette eingehen, dass sich soviele Mitmenschen, nämlich 17000, nie undnimmer für die Internet-Seite der CDU-Politikerininteressiert hätten, gäbe es nicht diesenwahlwerberischen Befreiungsschlag: Vera Lengsfeldrückt ihr Dekolleté neben das der Bundeskanzlerinins Bild. Einst hatte sich Angela Merkel anlässlicheines Opernbesuchs in Oslo ungewohnt freizügiggekleidet und damit allgemeine Aufmerksamkeiterregt. Nun lenkt ihre Partei-Freundin nocheinmal den Blick in die Tiefe des Ausschnitts:"Wir haben mehr zu bieten." Wer darüber lästertoder meckert, meint Vera Lengsfeld, ist entwederprüde oder links oder beides. Das trifft demnachauf Maria Böhmer zu, die Vorsitzende der Frauen-Union,die gestern kritisierte: "Wir setzen auf Inhalteund nicht auf Effekthascherei".
Allerdings soll Effekthascherei im Wahlkampfschon öfters vorgekommen sein. Dann ist diePolitik auch nichts anderes als ein Auto.Das verkauft sich angeblich viel besser, wennauf der Motorhaube ein Model liegt. Nun sindMerkel und Lengsfeld, die da zur Wahl lockensollen, keine Models vertrauter Art. Aberhier zählt doch schon der gute Wille. Dasalles folgt einem psychologischen Einmaleins:Namen, die in einem emotional stimulierendenZusammenhang auftauchen, kann sich der Betrachterbesonders gut merken. Übersetzt bedeutet dies:"Sex sells".
Das hat offenbar auch Halina Wawzyniak schoneinmal gelesen. Die Direktkandidatin der Linkenlobt auf ihrer Homepage die konservative Konkurrenzim eigenen Wahlkreis in Berlin-Kreuzberg:"Hut ab, Frau Lengsfeld, für dieses Plakat."Dann der Dämpfer. Das CDU-Plakat sei allerdingsnicht so schön wie ihr eigenes. Das zeigtein weibliches Gesäß, möglicherweise gar dasder Kandidatin Wawzyniak selbst, und transportiertdie Botschaft: "Mit Arsch in der Hose in denBundestag". Diesen Körperteil haben auch dieGrünen entdeckt. Da halten sich zwei weißeFrauenhände an einem schwarzen Frauen-Po fest.Was uns das sagen soll? Eine solcher Körpersei "Der einzige Grund, schwarz zu wählen".Was sich hinter dieser Bild-Text-Kombinationan verkapptem Sexismus und klammheimlichemRassismus verbergen mag, wäre womöglich einThema für die nächste Bundesfrauenkonferenzder Grünen.
Doch haben die Parteifreunde in Kaarst, diedas Motiv in ihrem Wahlkampf einsetzen, bereitsmit fester Stimme den Werbeschritt verteidigt:"Entgegen einiger Behauptungen Einzelner solldurch Wahl eines dunkelhäutigen Gesäßes keinesfallsder Eindruck entstehen, mit rassistischenMotiven zu spielen, durch Wahl eines weiblichenGesäßes keinesfalls ein sexistisches Motivunterstellt werden. Es handelt sich um dieDarstellung zweier Frauen, die sich umarmen."
An dieser Stelle machen wir mal eine Pause.Wer jetzt wieder zu Atem gekommen ist, mögedie Argumentation des Stadtverbandes weiterverfolgen. Da heißt es dann, dass doch Toleranz,Weltoffenheit, Gleichberechtigung Schwerpunkteder Grünen seien. "Die Vorwürfe, bei dem Plakatmotivhandele es sich um ein rassistisches odersexistisches, sind daher nicht haltbar. Solltedieser Eindruck beim Betrachter entstehen,kann dem nur widersprochen werden und aufGrüne Grundsätze verwiesen werden." Was sollman sagen? Es hat seit Adam und Eva schonschwächere Rechtfertigungen für einen Fehlgriffgegeben. Aber auch ziemlich viele, die entschiedenüberzeugender waren. Immerhin sehen wir'sdurch die CDU, die Grünen und die Linke bestätigt:Politik ist auch nur ein Auto. Und die Wellerollt: Schaumkronen statt Sachthemen! Woraufwarten eigentlich SPD und FDP?