Vor 15 Jahren Vor 15 Jahren: Ein Messer hinter Blumen

Köln/dpa. - Carola Welters, die sowohl die Messerattacke als auch den Prozessgegen die Attentäterin miterlebte, steht auch 15 Jahre später nochvor einem Rätsel: «Wem hatte der Oskar denn je was getan? Ich hab dieTat nie begriffen», meint sie.
Der Landtagswahlkampf an Rhein und Ruhr war damals in die heißePhase eingetreten. Als Zugpferd der Bundes-SPD leistete der damals 46Jahre alte Lafontaine den Genossen Wahlkampfhilfe. 20 Tage nach demAttentat wurde in Nordrhein-Westfalen gewählt.
Nach einer Notoperation lag der Saarländer wochenlang in derUniklinik. Die wahlkämpfenden Sozialdemokraten ließen eine TV- Live-Schaltung ans Krankenbett legen, um eine Woche nach der Tat den«Emotionsfaktor Oskar» bei einer großen Wahlkampfveranstaltung in derDortmunder Westfalenhalle zu nutzen. «Oskar, komm bald wieder»,prangte es damals auf Transparenten in der mit rund 15 000 SPD-Anhängern vollbesetzten Halle.
Auch der SPD-Ehrenvorsitzende Willy Brandt war damals dabei. «DieChancen stehen gut, dass er nächste Woche ins Saarland verlegt wird.Dann schmeckt ihm wahrscheinlich auch der Rotwein wieder, das wargestern noch nicht der Fall», witzelte der große alte Mann der SPD.
Lafontaine erholte sich von dem Anschlag, scheiterte aber bei derersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Dezember 1990 gegen HelmutKohl (CDU). Acht Jahre später wurde Lafontaine dann Bundesminister imKabinett von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) - wenn auch nur bis zumZerwürfnis 1999. Inzwischen tritt er als scharfer Gegner der rot-grünen Bundesregierung auf. Seit einigen Wochen liebäugelt er sogarmit der neugegründeten Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit.
Die inzwischen 58 Jahre alte Attentäterin, der GutachterSchizophrenie bescheinigten, lebt 15 Jahre nach der Bluttat in einerPsychiatrie. Sieben Monate nach dem Attentat hatte das LandgerichtKöln die frühere Arzthelferin wegen versuchten Mordes an Lafontaineauf unbegrenzte Zeit eingewiesen. In dem Verfahren hatte sie erklärt,sie sei «von Jesus zum Mord an einem Politiker aufgefordert» worden.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, warum sie den Saarländerund nicht den daneben stehenden damaligen SPD-MinisterpräsidentenJohannes Rau als Opfer gewählt habe, hatte Streidel damals gesagt,Lafontaine «erschien mir irgendwie wertvoller».
Lafontaine will sich zu dem Attentat anscheinend nicht mehräußern. «Das ist schon so lange her. Er hat über Wichtigeresnachzudenken», heißt es aus seinem Umfeld. «Gott sei Dank, ist solchein schrecklicher Anschlag hier nie wieder vorgekommen», sagt einKölner Polizist. «Aber Veranstaltungen mit prominenten Politikernwerden seitdem ja auch besser geschützt.»