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Volksentscheid zum Tempelhofer Feld Volksentscheid zum Tempelhofer Feld: Wer? Was? Warum? Eine Abstimmungshilfe

Von Regine Zylka 23.05.2014, 17:08

Die Abstimmung über das Tempelhofer Feld an diesem Sonntag ist eine echte Premiere. Zum ersten Mal, seit es in Berlin Volksentscheide gibt, liegt den Bürgern nicht nur ein Gesetz vor, sondern gleich zwei. Es ist natürlich begrüßenswert, eine Auswahl zu haben, doch es stellt viele vor eine große Herausforderung.

Worum geht es?
Rund 2,5 Millionen Berliner Wahlberechtigte können bestimmen, wie es auf dem früheren Flugfeld in Tempelhof weitergeht. Und zwar verbindlich. Bekommt eines der Gesetze die nötige Mehrheit, tritt es sofort in Kraft. Das Abgeordnetenhaus darf nichts daran ändern. Wie lange es gilt, ist offen. Auch ein Volksgesetz kann vom Parlament reformiert oder durch einen neuen Bürgerentscheid überholt werden. Eine offizielle Schonfrist gibt es nicht. Die Wähler dürfen aber erwarten, dass ihr Votum auf absehbare Zeit respektiert wird.

Wer wollte diese Abstimmung?
Ende 2011 gründete sich die Bürgerinitiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“. Sie lehnte die damals noch sehr vagen Pläne des Senats zur Randbebauung des früheren Flughafengeländes ab. Sie formulierte einen Gesetzentwurf, sammelte die nötigen 185 000 Unterschriften und setzte damit den Volksentscheid durch. Im Kern will sie erreichen, dass die rund 300 Hektar große Fläche bleibt, wie sie ist, und dass der Senat seine Pläne aufgeben muss.

Was steht im Vorschlag der Initiative?
Der Text ist kompliziert, aber in seinen Zielen klar: Das Land Berlin als Eigentümer darf das Gelände, das seit Mai 2010 für jedermann frei zugänglich ist, weder verkaufen noch bebauen. Zugleich wird der Senat verpflichtet, den jetzigen Zustand zu erhalten. Auch einen Park darf er nicht anlegen. Zugleich wird die Nutzung auch für die Bürger geregelt. Alles, was über das Maß „üblicher und auch typischer“ Freizeitgestaltung hinausgeht, ist verboten. Nur an den Rändern darf das Land bestimmte Veränderungen genehmigen. Dazu gehören sanitäre Anlagen, ungedeckte Sportflächen, dauerhafte Sitzgelegenheiten und Tische oder „solitäre Obstbäume und solitäre Flurgehölze“.

Wer legte den zweiten Gesetzentwurf vor?
Anders als bei früheren Volksentscheiden wollte die Koalitionsmehrheit im Abgeordnetenhaus den Wählern nicht einfach nur ein „Nein“ zur Bürgerinitiative empfehlen. SPD und CDU wollten eine Alternative anbieten und sie parallel zur Abstimmung stellen. Zunächst suchten Koalition und Opposition einen Kompromiss, weil eigentlich alle im Parlament für Wohnungsbau sind. Das scheiterte aber. Grüne, Linke und Piraten empfehlen nun, für das Gesetz der Bürgerinitiative zu stimmen.

Was steht im Vorschlag des Parlaments?
SPD und CDU wollen den größten Teil des Tempelhofer Feldes nicht wesentlich anders behandeln als die Bürgerinitiative. Deshalb unterscheiden sich die beiden Abstimmungstexte auf dem Wahlzettel kaum, was für die Bürger verwirrend ist. Der Parlamentsentwurf sichert ein 230 Hektar großes Gelände in der Mitte des Feldes als Freifläche. Sie dient der Erholung der Bevölkerung sowie dem Natur- und Artenschutz. Anders als beim Entwurf der Bürgerinitiative sind Gastronomie, kommerzielle und vereinsbezogene Sportangebote aber erlaubt. Auch Bäume können gepflanzt werden. Völlig anders wollen SPD und CDU jedoch mit den Rändern des Feldes umgehen. Dort ist „eine behutsame Entwicklung für Wohnen, Wirtschaft sowie Erholung, Freizeit und Sport vorgesehen“.

Warum benennt das Gesetz des Abgeordnetenhauses keine konkreten Baupläne?
Nach dem sogenannten Masterplan des Senats sollen an den Rändern drei neue Stadtviertel mit 4 700 landeseigenen Wohnungen, sozialer Infrastruktur wie Schulen und Kitas, Gewerberäumen und einer Zentralen Landesbibliothek entstehen. Das Konzept kann vom Parlament grundsätzlich nicht als Ganzes per Gesetz beschlossen werden, rechtlich sind einzelne, konkrete Bebauungspläne vorgeschrieben. Dass das Gesetz des Abgeordnetenhauses an dieser Stelle so vage ist, hat aber auch politisch-taktische Gründe. SPD und CDU wollten den Eindruck vermeiden, beim Volksentscheid stehe der Masterplan des Senats zur Abstimmung. Scheitern beide Gesetze, ist er noch gültig.

Wann ist ein Gesetz angenommen?
Volksgesetze treten nur in Kraft, wenn 25 Prozent der Wahlberechtigten dafür sind. Jeder Entwurf muss also mindestens 630 000 Ja-Stimmen erhalten, um zu gewinnen. Dafür ist eine hohe Beteiligung nötig. Sollten nur knapp 30 Prozent wählen gehen, wie bei den letzten drei Volksentscheiden, dürften beide Gesetzentwürfe scheitern. Die Landeswahlleiterin erwartet indes eine stärkere Beteiligung, weil am Sonntag gleichzeitig ein neues Europaparlament gewählt wird. Wer seine Wahlunterlagen nicht mehr findet, kann trotzdem abstimmen. Nötig ist nur, einen Ausweis ins Wahllokal mitzunehmen.

Die Berliner Zeitung informiert am Sonntag über den Volksentscheid in ihrem Live-Ticker unter www.berliner-zeitung.de