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Vier Jahre nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt Vier Jahre nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt: NSU-Morde werfen immer noch Rätsel auf

Von Markus Decker 04.11.2015, 17:52
Einer der NSU-Anschläge galt der Kölner Keupstraße.
Einer der NSU-Anschläge galt der Kölner Keupstraße. dpa Lizenz

Berlin - Fast auf den Tag genau vier Jahre ist es her, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 4. November 2011 im thüringischen Eisenach eine Sparkasse überfielen, bei ihrer Flucht beobachtet wurden und sich schließlich mutmaßlich selbst umbrachten. Vier Tage darauf, am 8. November 2011, stellte sich ihre Gefährtin Beate Zschäpe der Polizei. Da zeichnete sich längst ab, dass die Sicherheitsbehörden einer rechtsterroristischen Gruppe namens Nationalsozialistischer Untergrund auf die Spur gekommen waren, die zehn Menschen umgebracht hatte. Bei der Entdeckung führte „Kommissar Zufall“ Regie, wie die Ombudsfrau der NSU-Opfer, Barbara John, am Mittwoch erklärte.

NSU-Beauftragte will Klärung

Die Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), hatte John, Angehörige der Opfer, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft am Mittwoch ins Kanzleramt eingeladen, um den Taten und ihren Folgen weiter nachzugehen. Dabei wurde rasch klar, dass das, was damals geschah, unverändert aktuell ist.

Özoguz betonte zunächst, dass wesentliche Fragen aus dem NSU-Komplex nach wie vor offen sind. Dazu zählt unter anderem jene, wer die quer übers Bundesgebiet verstreuten Opfer ausgesucht hat und ob es tatsächlich nur Böhnhardt und Mundlos waren, die sie mit Zschäpes Beihilfe exekutierten. Viele Experten bezweifeln das. Freilich lässt sich dieser Zweifel noch immer nicht durch Fakten stützen. Auch möchte die Integrationsbeauftragte geklärt wissen, ob der NSU in staatlichen Stellen vereinzelt Unterstützer hatte. Das soll der zweite NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages beantworten, der in der kommenden Woche eingesetzt wird.

John erinnerte daran, dass der 4. November 2011 den Angehörigen „eine neue Art Leben geschenkt“ habe. Die Angehörigen waren ja jahrelang selbst verdächtigt worden, in die Taten verstrickt gewesen zu sein – in Gestalt einer „Türkenmafia“. Als klar wurde, dass eben dies nicht der Fall ist, hätten sie aus der sozialen Isolation gelangen können, so die Ombudsfrau. „Das Leben ist wieder heller geworden.“ Sie will jetzt bis zum Frühjahr einen Verein der Opfer rechtsextremistischer Gewalt gründen. „Das brauchen wir.“ Von diesen Opfern gibt es nach Zählungen annähernd 200.

Abwehrzentrum gegen Rechtsterrorismus gegründet

Die Parlamentarischen Staatssekretäre Christian Lange (SPD) aus dem Justizministerium und Günter Krings (CDU) aus dem Innenministerium erläuterten anschließend, welche Konsequenzen man zur Stunde schon aus dem Geschehen gezogen habe. So gebe es ein Abwehrzentrum gegen Rechtsterrorismus sowie eine einschlägige Datei. Auch seien die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Generalbundesanwalts gestärkt worden. Schließlich wird ein rassistisches Motiv für Straftaten fortan verschärfend gewertet.

Mindestens ebenso dringlich wie der Blick zurück schien allen Beteiligten der Blick nach vorn. So verwies Özoguz auf die gegenwärtig enorme Zahl von Angriffen auf Flüchtlinge und deren Helfer. Zudem seien die Drohungen gegen Politiker derart zahlreich, dass man sie kaum mehr zählen könne. Wer sich für Asylsuchende engagiere, der werde in Teilen des Landes von seinen Nachbarn geschnitten. „Diese Entwicklung ist besorgniserregend und sollte uns wachsam werden lassen“, mahnte die SPD-Politikerin auch angesichts von Pegida und der Alternative für Deutschland. John ergänzte, niemand solle sich „der Illusion hingeben, dass dieses Land frei von Rassismus ist“.

Dass aus dem Rassismus von heute der Rechtsterrorismus von morgen entsteht, gilt in Berlin jedenfalls als denkbar. Das Thema NSU ist so gesehen gegenwärtiger denn je.