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Verteidigungsminister Verteidigungsminister: Ein guter Tag ist einer ohne Anschläge

20.12.2012, 15:57
Dezember 2009: Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) besucht mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, Bundeswehrsoldaten in Feisabad (Afghanistan). (ARCHIVFOTO: DPA)
Dezember 2009: Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) besucht mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, Bundeswehrsoldaten in Feisabad (Afghanistan). (ARCHIVFOTO: DPA) SKA/IMZBW/Andrea_Bienert

Berlin/MZ. - Der Bundestagsabgeordnete Franz Josef Jung (63, CDU) war von 2005 bis 2009 Verteidigungsminister und löste damals Peter Struck (SPD) ab, der zum Fraktionsvorsitzenden aufrückte. Beide Politiker haben ähnliche und unvergleichliche Erfahrungen gemacht - insbesondere mit dem Tod von Soldaten, für die der 63-jährige Christdemokrat Jung auf dem Berliner Ministeriumsgelände ein Ehrenmal errichten ließ. Markus Decker sprach mit Franz Josef Jung.

Herr Jung, Sie waren der Nachfolger von Peter Struck. Wie erleben Sie seinen Tod?

Franz Josef Jung: Mich macht die Nachricht sehr betroffen, zumal ich ihn noch vor zwei Wochen beim Großen Zapfenstreich für General Wolf-Dieter Langheld getroffen habe und wir uns sehr nett unterhalten haben. Strucks Engagement für die Soldaten hat ihn sehr zufrieden sein lassen. Und er hat mir beim Amtswechsel gesagt, dass es ihm nicht leichtfalle, das Amt aufzugeben. Ihm war die Bundeswehr ans Herz gewachsen.

Struck hat das Amt des Verteidigungsministers nie angestrebt und war trotzdem glücklich darin. Können Sie mal sagen, was das Besondere dieses Amtes ausmacht?

Jung: Es ist auf der einen Seite eine große Herausforderung. Aber insbesondere die menschliche Situation der Soldaten und die Beziehung zu ihnen bringt immer wieder ein Stück Erfüllung – auch wenn das Amt oft mit schweren Situationen verbunden ist.

Dem Klischee nach sind Soldaten harte Typen. Dennoch reagieren sie viel stärker als andere Berufsgruppen auf Lob und Anerkennung. Das wurde auch bei Struck deutlich.

Jung: Ja, das habe ich auch immer wieder erlebt. Aber das hat man im menschlichen Bereich ja oft, dass jemand, der nach außen hart wirkt, einen sehr weichen Kern hat.

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr, besonders der in Afghanistan, werden in Deutschland kritisch gesehen. Ist der Verteidigungsminister der Verteidiger der Truppe im eigenen Land?

Jung: Ja, er hat die Aufgabe, das, was die Bundeswehr leistet, gegenüber der Öffentlichkeit darzustellen. Das ist schließlich der einzige Beruf, der mit einem Risiko für Leib und Leben verbunden ist und der zum Tod führen kann. Das prägt den Soldatenberuf, aber auch das Verhältnis des Ministers zu seinen Soldaten. Das muss er deutlich machen.

Wie viele Bundeswehr-Soldaten sind denn in ihrer Amtszeit umgekommen?

Jung: Ich glaube, es waren 25.

Können Sie sich noch an Namen erinnern?

Jung: Ja, klar. An Sergej Motz aus Saulgau zum Beispiel. Ich kann mich auch an zwei Zeitsoldaten erinnern, von denen einer beide Beine und der andere ein Bein verloren hat. Allerdings haben sie wieder eine Perspektive gefunden. Einer konnte sogar an den Paralympics teilnehmen. Und dann gab es da noch den Fall, bei dem Soldaten in Afghanistan Kindern Spielzeug geben wollten. In dem Moment kam jemand mit dem Fahrrad vorbei und zündete einen Sprengsatz. Die Soldaten waren tot, die Kinder auch. Das war wirklich perfide.

Sie haben mal gesagt, ein guter Tag als Minister beginne mit der Nachricht, dass es in der Nacht keinen Anschlag gegeben hat. Das hört sich nach einer sehr großen Belastung an.

Jung: Das war es auch. Die Stunden, in denen die Todesnachrichten eintrafen, waren die schmerzlichsten.

Und dann sagten Sie noch, dass Sie für die Soldaten beten.

Jung: Ich bin verbunden mit dem christlichen Glauben. Deshalb habe ich unsere Soldaten ins Gebet einbezogen, damit sie gesund wieder nach Hause kommen.

Hat Ihnen das Beten geholfen?

Jung: Ja, das hat mir sehr geholfen – gerade in schwierigen Situationen. Auch den Angehörigen hat es einen Halt gegeben – selbst dann, wenn sie aus den neuen Bundesländern kamen und keinen Bezug zur Religion hatten.

Ist Ihnen seitens der Angehörigen mal Wut begegnet?

Jung: Es gab den Vater des eben schon erwähnten toten Soldaten Sergej Motz. Der ist Russlanddeutscher und hat selbst für die Sowjetunion in Afghanistan gekämpft. Der wollte wieder nach Afghanistan und seinen Sohn rächen. Aber sonst habe ich so etwas nicht erlebt.

Gibt es noch Kontakte?

Jung: Ja, ich war erst gerade wieder beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Fulda, um eines Soldaten zu gedenken, der vor drei Jahren starb. Der Fall war besonders tragisch. Der Soldat war stark verwundet. Danach ging es aufwärts. Bei einem Truppenbesuch in Saarlouis war er sogar da – in Uniform und obwohl er nicht gut aussah. Vier Wochen später war er tot.

Auch Struck war mit dem Tod von Soldaten konfrontiert. Haben Sie sich mit ihm mal ausgetauscht?

Jung: Ja, darüber habe ich mit ihm sehr intensiv gesprochen, zumal während des Amtswechsels ein Soldat in Afghanistan gefallen ist. Wir haben uns darüber ausgetauscht, was das Amt ausmacht, was es bedeutet, vor Angehörigen zu stehen, mit ihnen zu sprechen und diese Situation auch persönlich bewältigen zu müssen.

Hat er Ihnen Tipps geben können?

Jung: Ja. Und er mir gesagt, dass so eine Situation immer wieder eintreten und man das Amt nicht übernehmen kann, wenn man es nicht in diesem Bewusstsein ausführt.

Hat Struck dieses Thema beschäftigt?

Jung: Ja, das hat ihn sehr beschäftigt. Auch die Frage der Verwundung. Ich kann mich gut erinnern, dass bei der Amtsübergabe ein verwundeter Soldat anwesend war und es damals noch keine Möglichkeit gab, verwundete Soldaten in der Bundeswehr weiter zu beschäftigen, weil sie nur Versorgungsansprüche hatten. Das zu ändern, war ihm ein Herzensanliegen. Ich konnte das dann in meiner Amtszeit in unser beider Sinne korrigieren.

Was bleibt von Struck in der Truppe?

Jung: Dass er ein sehr gern gesehener Verteidigungsminister war und ein Herz für die Bundeswehr hatte.

Struck hat gesagt, unsere Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt. Ist das so eine Art Vermächtnis?

Jung: Ja. Man liest den Satz ja in jedem Nachruf. Struck hat damit etwas auf den Punkt gebracht, nämlich dass der Einsatz unserer Soldaten in Afghanistan auch etwas zu tun hat mit der Sicherheit und der Freiheit der Menschen in Deutschland.