Verkehr Verkehr: Die teuerste Autobahn der Welt

Kassel/dpa. - Bereits vor mehr als 80 Jahren sollten Kassel und Eisenach mit einerAutobahn verbunden werden, und aus dieser Zeit stammt auch dieBrücke. Doch das Projekt wurde immer wieder unterbrochen, wegenGeldmangels, des Krieges, der deutschen Teilung und jetztNaturschützern. Über den jüngsten und möglicherweise letztenVersuch, die gut 60 Kilometer lange Strecke mit einer Autobahn zuverbinden, entscheidet von Mittwoch an (27. Februar) dasBundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Seit Jahrzehnten führt die A 44 von Aachen über das Ruhrgebietnach Kassel. Kurz vor Hessen ist sie schnurgerade mitherausnehmbaren Leitplanken. In Zeiten des Kalten Krieges solltenhier im Falle einer Eskalation Flugzeuge landen. Wegen der Nähe zurZonengrenze war der Standort für Militärs strategisch interessant,für Straßenplaner nicht. In Kaufungen, kurz hinter Kassel, istdeshalb Schluss. Die Autobahn endet in der nordhessischenProvinz, und wer nach Eisenach will, muss mindestens eine Stundedurch Dörfer und enge Kurven fahren.
«Diese Quälerei ist unzumutbar. Auch wir haben ein Recht auf einvernünftiges Verkehrssystem», sagt Jürgen Herwig. Der Bürgermeistervon Hessisch Lichtenau ist einer der eifrigsten Befürworter derAutobahn. Verbissen kämpft der Sozialdemokrat für die Fernstraße - und gegen den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).Dieser blockiert mit Klagen den Weiterbau der A44. «Eine bodenloseFrechheit. Unsere wirtschaftlichen Interessen werden mit Füßengetreten», schimpft Herwig. «Das ist die Chance, statt einerunnötigen Autobahn eine einzigartige Natur zu haben», sagt hingegenThomas Norgall vom BUND.
Dieser Streit führte in der Vergangenheit zu absurden Szenen.Immer wieder gab es Demonstrationen und Menschenketten für dieAutobahn. Als 16 nordhessische Bürgermeister vor einem Jahr dem BUND13 000 Unterschriften überreichen wollten, ließen der Verband sienicht ein. Die Kommunalvertreter beantragten daraufhin dieMitgliedschaft im BUND-Kreisverband Werra-Meißner mitknapp 200 Mitgliedern und wurden rundweg abgelehnt.
Sollte die Straße tatsächlich gebaut werden, wird sie vermutlichdas teuerste Autobahnstück der Welt. Mindestens 1,2 Milliarden Eurowird die Strecke kosten - fast 19 000 Euro pro Meter. «Kein StückAutobahn auf der Welt wurde akribischer und umweltbewusster geplantals dieses zwischen Kassel und Eisenach», sagt HessensWirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU), der den Bau befürwortet. Auchbei SPD und FDP steht die A44 im Wahlprogramm.
Doch der BUND bleibt stur. «Wir sind ja nicht gegen Verkehr. Wirsind nur gegen unsinnige Trassen», sagt Norgall. Das nach derVereinigung prognostizierte Verkehrsaufkommen habe sich nichtansatzweise bewahrheitet. Die Klage des Verbandes ziele zwar aufNaturschutzflächen bei Hessisch Lichtenau, aber im Grunde gehe es umdas ganze Projekt: «Mit Ortsumgehungen und dem Ausbau derBundesstraße könnte die Region viel billiger und vor allemschonender erschlossen werden.»
Der Verkehrsforscher Christian Kopetzki kann die Argumente desBUND nachvollziehen, hat aber auch Lob für die Straßenplaner:«Jahrzehnte wollte jeder die Autobahn, nur nicht bei sich. DasKonzept einer Regionalautobahn mit vielen Anschlüssen hat dann vieleüberzeugt», sagt der Kasseler Professor. Wegen etlicher Tunnel undKurven würde die A44 auf diesem Stück zudem eine «Autobahn derTempolimits» sein.
Nach Ansicht des Wissenschaftlers wird das Land nach einerNiederlage vor Gericht wohl keinen neuen Versuch mehr für dieUmsetzung anstreben. Und die Chancen auf einen Kompromiss schätzt erebenfalls gering ein: «Der Streit ist für beide Seiten längst einPrestigeobjekt. Bei diesem Machtkampf will keiner einen Schrittzurück.»