Proteste in Chemnitz Verfassungsschutz : Hans-Georg Maaßen bezweifelt Hetzjagd auf Ausländer in Chemnitz
Berlin - Nach seinen umstrittenen Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz gerät Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen politisch unter Druck. Grüne und Linke forderten am Freitag seinen Rücktritt, aber auch Union und SPD im Bund wie in Sachsen verlangen Aufklärung über seine Andeutungen, es habe über die Ausschreitungen von Chemnitz möglicherweise gezielte Falschmeldungen gegeben. In der übernächsten Woche soll sich der Innenausschuss des Bundestags in einer Sondersitzung mit Maaßens umstrittenen Aussagen befassen.
Der Verfassungsschutz-Chef hatte der Bild-Zeitung gesagt, dass es am Rande der rechten Demonstrationen in Chemnitz nach einem Tötungsdelikt keine „Hetzjagden“ gegeben habe und er weitere Berichte anzweifle.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte an diesem Freitag, die Parlamentarier hätten noch keine Gelegenheit gehabt, mit Maaßen darüber zu sprechen.
Deswegen lege er größten Wert darauf, dass Maaßen in den Innenausschuss komme. Sowohl Kauder als auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wiesen aber Kritik an Maaßen zurück. „Diese ständigen Vorverurteilungen in alle Richtungen müssen aufhören“, sagte Kauder. Dobrindt sagte, man solle solche Einschätzungen eines Verfassungsschutzpräsidenten ernst nehmen.
Maaßen informierte Kanzlerin nicht
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte er davon allerdings nichts erzählt, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag betonte.
Das kritisierte CDU-Innenpolitiker Armin Schuster: Es wäre „wichtig gewesen, dass Maaßen schon viel früher objektiv dargelegt hätte, was die Behörden über die Chemnitzer Vorfälle wissen“, sagte er den Stuttgarter Nachrichten.
Er hätte sich von Maaßen darüber Aufklärung erwartet, „wie viel rechtsextremes Potenzial sich da zusammengefunden hat, wie die Szene sich vernetzt hat, welche Rolle die AfD spielt, wie viel Strafverfahren es gibt“. Stattdessen habe Maaßen mit seinen Äußerungen die Debatte auf einen Punkt fokussiert: das möglicherweise nicht authentische Video. Das müsste er vor dem Innenausschuss belegen.
Nahles fordert Befragung durch Kontrollgremium
Noch schärfer reagierte die SPD: Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles forderte eine Befragung Maaßens durch das Parlamentarische Kontrollgremium, das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste. Dort könne „Beweise darlegen“, so Nahles. „Seine Aufgabe ist es, Verfassungsfeinde zu enttarnen und zu stellen, und er bewirkt mit seinen Äußerungen das Gegenteil, wenn er sie nicht unmittelbar belegen kann“.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte: „Ich frage mich allmählich, welche Rolle der politischen Einflussnahme er da spielen will.“ Er sei erstaunt, was an der Spitze der wichtigsten Sicherheitsbehörde passiere.
Grünen Fraktionschef fordert Rücktritt
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) teilte dagegen Maaßens Äußerung, wonach es in Chemnitz keine Hetzjagden gegeben habe: Er habe „keinen anderen Informationsstand“ als der Verfassungsschutz-Chef, sagte Seehofer am Freitag in Wiesbaden nach einer Konferenz der Innenminister von CDU und CSU. „Es ist ein ähnlicher Informationsstand auch bei den anderen Sicherheitsbehörden, die mir unterstehen.“
Zuvor hatten Politiker wie Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter den Bundesinnenminister aufgefordert, Maaßen wegen seiner Äußerungen und anderer Vorgänge zu entlassen. „Es wäre der richtige Schritt“, sagte er nach einem Treffen von Grünen-Politikern in Wiesbaden.
Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sagte, er gehe davon aus, dass Seehofer auch selbst daran interessiert sei, zu erklären, ob es „nicht dringend angeraten erscheint, Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes durch einen personellen Neuanfang wieder herzustellen“. Für Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt steht fest, „dass Herr Maaßen seiner Aufgabe nicht mehr gerecht wird“. Auch Linken-Chefin Katja Kipping sagte, Maaßen sei „in diesem Amt nicht mehr haltbar“.
Falsche Angaben gegenüber dem Bundestag
Bereits zu früheren Zeitpunkten hatte es Kritik an Maaßen gegeben. So hatte er nach einer Enthüllung durch eine Insiderin Treffen mit führenden AfD-Politikern eingeräumt. Laut der Insiderin sei es dabei um die Frage gegangen, wie die AfD einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könne.
Jüngst war dann bekannt geworden, dass Maaßen falsche Angaben gegenüber dem Bundestag gemacht hatte: Obwohl vor dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit Wissen Maaßens ein V-Mann seines Bundesamts im Umfeld des islamistischen Attentäters Anis Amri gewesen platziert war, hatte er in einer Antwort auf eine diesbezügliche parlamentarische Anfrage von Januar 2017 das Gegenteil behauptet.