Vatikan Vatikan: Inhaftierter Kammerdiener des Papstes als Sündenbock?
Vatikanstadt/rtr. - Ein Sprecher von Papst Benedikt XVI. dementierte allerdings, dass wegen unerlaubten Besitzes geheimer Vatikan-Dokumente auch gegen einen Kardinal ermittelt werde. Gegen den Kammerdiener Paolo Gabriele wurde unterdessen Anklage erhoben. Der 46-jährige wird beschuldigt, seit Jahresbeginn brisante Dokumente, in denen es unter anderem um Vorwürfe der Korruption und des Missmanagements ging, an Medien weitergegeben zu haben. In Anlehnung an das Enthüllungsportal Wikileaks ist von „Vatileaks“ die Rede.
Vatikansprecher Federico Lombardi räumte ein, die Affäre habe das Ansehen des Vatikans beschädigt und auch das Vertrauen der Katholiken in ihre Kirche auf die Probe gestellt. „Ich weise aber kategorisch zurück, dass ein Kardinal Verdächtiger ist.“ Der Papst werde über alle Details der Affäre informiert und sei sich der Brisanz bewusst.
Lombardi spielte das Ausmaß der Affäre herunter, die italienische Medien über einen Machtkampf im Vatikan hatten spekulieren lassen. Journalisten waren in den vergangenen Monaten Dokumente zugeleitet worden, in denen Vatikan-Vertretern Korruption und Vetternwirtschaft in Verträgen mit italienischen Unternehmen vorgeworfen wurde. Teilweise handelte es sich um persönliche Briefe an den Papst. In einigen Unterlagen ging es auch um Kritik an der Führung der Vatikan-Bank. Deren Präsident Ettore Gotti Tedeschi war am Donnerstag entlassen worden. Benedikt hatte mehrere Ermittlungsverfahren angeordnet, die unter anderem von der vatikanischen Polizei und von einer Kardinalskommission geleitet wurden.
Die Ermittler weiteten ihre Untersuchungen aus und gingen der Frage nach, ob Gabriele Komplizen hatte. Wie der Vatikan mitteilte, ist Gabriele mit Erhebung der Anklage nun formell Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren. Gabriele, der sich zwei Anwälte genommen habe, erwarte ein faires Verfahren gemäß dem Strafrecht des Kirchenstaates. Weil der Vatikan kein eigenes Gefängnis betreibt, wird der Butler des Papstes in einer von drei Arrestzellen des päpstlichen Polizeiwache festgehalten. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft, die er gemäß einer Vereinbarung zwischen Italien und dem Vatikan in einem italienischen Gefängnis verbüßen müsste.
Der Papst soll entsetzt auf die Nachricht reagiert haben, dass ein Mitarbeiter aus seiner engsten Umgebung verhaftet wurde. Der Kammerdiener arbeitete in Benedikts Wohnung im Apostolischen Palast. In dieser Vertrauensstellung hatte er Zugang zu den streng abgeriegelten Privaträumen des Kirchenoberhauptes und kannte die Vorgänge dort bestens. Er bediente den Papst bei Tisch, begleitete ihn im Papamobil und überreichte Würdenträgern, die das Kirchenoberhaupt aufsuchen, den Rosenkranz.