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Urteil Urteil: BGH erlaubt durchgestrichene Hakenkreuze

Von Wolfgang Janisch 15.03.2007, 15:32

Karlsruhe/dpa. - Am Donnerstag stach imGerichtssaal nur der rot gefärbte Schopf des angeklagtenVersandhändlers Jürgen Kamm ins Auge: Er ließ es sich nicht nehmen,den erwarteten Sieg im Streit um die Anti-Nazi-Symbole aus demSortiment seines «Nix-gut»-Versands persönlich entgegen zu nehmen.

Denn nachdem die Bundesanwaltschaft in der vergangenen Wochebeantragt hatte, die 3600-Euro-Geldstrafe des StuttgarterLandgerichts zu kassieren, kam der Freispruch nicht mehrüberraschend. Der BGH rehabilitierte den 32-jährigen Kamm aus dembaden-württembergischen Winnenden (Rems-Murr-Kreis), der von derStuttgarter Justiz ausgerechnet wegen eines Anti-Nazi-Paragrafenverfolgt worden war - wo doch das Sortiment seines Online-Shops anNazi-Gegnerschaft nichts zu wünschen übrig ließ: Buttons oder T-Shirts mit durchgestrichenen, zertretenen, in den Müll geworfenenHakenkreuzen.

Und nicht nur ihn hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft imVisier: Auch gegen DGB-Chef Michael Sommer, der bei einer Kundgebungeinen Sticker mit durchgestrichenem Hakenkreuz getragen hatte, wurdeermittelt, ebenso gegen die Grünen-Chefin Claudia Roth, die sichgleich selbst angezeigt hatte.

Allerdings hatte schon die Verhandlung gezeigt, dass der 3.Strafsenat des BGH nicht nur die «Justiz-Farce» (Claudia Roth)reparieren, sondern zugleich Maßstäbe setzen wollte, die einenMissbrauch mit den Emblemen aus der schauerlichen Zeit ausschließen.Der Senatsvorsitzende Walter Winkler, der eigens Dias derumstrittenen Symbole zeigen ließ, wies auf die Risiken hin: Eineallzu große Lockerung des Paragrafen 86 a Strafgesetzbuch, der dasVerwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unterStrafe stellt, bedeute zugleich eine Einladung an Rechtsextremistenund Neonazis, damit Schindluder zu treiben.

Dass dies keine Theorie ist, zeigt der Umgang der Neonazi-Szenemit der Bekleidungsmarke «Lonsdale». Trägt man die Jacke über dem T-Shirt halb geöffnet, bleibt vom Markenschriftzug nur noch NSDA übrig.Bundesanwalt Gerhard Altvater wies daher darauf hin, dass einvergleichbarer Trick mit einem Schriftzug «NON» - mit einem nichtverfremdeten Hakenkreuz im O - auch nach dem BGH-Urteil strafbar seinkönnte. Die Distanzierung von der Nazi-Ideologie durch dasfranzösische Wort für «Nein» wäre womöglich nicht eindeutig genug,zumal die Jackenaufschläge über den beiden N-Buchstaben nur noch dasHakenkreuz übrig ließen.

Die Formel des BGH lautet also: Nur wenn die Symbole «inoffenkundiger und eindeutiger Weise» die Gegnerschaft zumNationalsozialismus zum Ausdruck bringen, sind sie erlaubt. Dazugehört das Stoppschild mit dem durchgestrichenen Hakenkreuz, auch dasUmweltmännchen, das ein Hakenkreuz in den Papierkorb wirft, ebensoder Stiefel, der es in den Schmutz tritt. Das Nazigrusel-Cover einerSzene-CD dagegen, das Hitler beim Reichs-Parteitag unter derReichsstandarte zeigt und nur durch den Aufdruck «Drecksau» dieZielrichtung ahnen lässt, wäre den Richtern zu zweideutig.

Dass man Deutschland gerade wegen ausländischer Beobachter vonHakenkreuzen gänzlich freihalten sollte - ob durchgestrichen odernicht -, dieses Ziel konnte Winkler nicht überzeugen. Den Eindruck,nationalsozialistische Bestrebungen hätten hierzulande keine Chance,könnten doch gerade Anti-Nazi-Symbole verstärken, meinte der Richter.Ein Effekt, den sich übrigens auch die FIFA zunutze machen wollte:Während der Fußball-WM machte der Weltfußballverband auf einem Flyermit einem durchgestrichenen Hakenkreuz deutlich, dass Rassismus indeutschen Stadien keinen Platz habe - und blieb völlig ungestraft.