Untreueprozess beginnt Untreueprozess beginnt: Manfred Kanther geht jetzt seinen schwersten Gang

Wiesbaden/dpa. - Die Anklage wirft dem Juristen vor, zusammen mit dem damaligenhessischen CDU-Schatzmeister Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein undFinanzberater Horst Weyrauch Ende 1983 rund 20,8 Millionen Mark (rund10,6 Millionen Euro) von Frankfurter CDU-Konten in die Schweizverschoben zu haben. Die Schwarze Kasse soll bis Anfang 2000 demPartei-Vorstand verborgen geblieben sein.
Ziel der Transaktionen war es nach dem Vermerk eines inzwischengestorbenen CDU-Mitarbeiters, das Vermögen «dem Blickfeld derErmittler» zu entziehen. Das Wiesbadener Landgericht hält es für«nicht ausgeschlossen», dass die CDU-Millionen aus illegalen Quellenstammen. Eine davon könnte die Spendenwaschanlage «StaatsbürgerlicheVereinigung» gewesen sein. Die Hessen-CDU will das Vermögen dagegenaus Spenden, Mitgliederbeiträgen und Wahlkampfkostenerstattungenangespart haben.
Unter anderem als Vermächtnis aus wohlhabenden jüdischen Kreisengetarnt floss das Schwarzgeld zurück nach Hessen: Wittgenstein nutztedas Geld etwa für den überschuldeten Frankfurter Kreisverband.Außerdem wurden Wahlkämpfe mitfinanziert - auch der siegreiche desamtierenden Ministerpräsidenten und hessischen CDU-Chefs Roland Kochim Jahr 1999.
Steuerhinterziehung war das nach Ansicht der Ermittler nicht, unddie Schwarzgeld-Akteure wirtschafteten nach allen bisherigenErkenntnissen auch nicht in die eigene Tasche. Die Untreue bestandnach Auffassung der Staatsanwaltschaft aber darin, dass diefinanziell oft klamme hessische CDU-Führung von 1984 bis zu KanthersGeständnis Anfang 2000 über ihre geheimen Millionen nicht verfügenkonnte, weil sie von ihnen gar nichts wusste. Außerdem geriet dieBundes-CDU nach Auffliegen des Skandals in Schwierigkeiten: Sie sollwegen der schwarzen Parteikasse und falscher Rechenschaftsberichte inHessen 21 Millionen Euro Strafe an die Bundestagsverwaltung zahlen.
Laut Strafgesetzbuch drohen Kanther und Wittgenstein Geldstrafenoder bis zu fünf Jahre Haft. Weyrauch, der auf Anweisung dieGeldkoffer zwischen Hessen und der Schweiz hin- und hertrug, wird derBeihilfe beschuldigt. Die rot-grüne Opposition in Hessen hofft, dassunter dem Druck der erheblichen Strafandrohung einer der Angeklagtenim Verfahren «auspackt», um sich selbst zu entlasten. Dann könnte dievon Koch bisher ohne größere Blessuren überstandene Schwarzgeldaffäredem hessischen Regierungschef doch noch einmal gefährlich werden.
SPD und Grüne wollen einfach nicht glauben, dass der gelernteWirtschaftsanwalt und 1998 zum hessischen Parteichef aufgestiegeneKoch die ständigen Finanzspritzen und Millionenzuflüsse an dieHessen-CDU nie bemerkt hat. Käme bei dem Prozess heraus, dass derVorsitzende schon vor 2000 von der Auslandskasse gewusst und denSchwarzgeld-Kreislauf gedeckt hat, wäre Koch als Regierungschefvermutlich nicht mehr zu halten.
Für den konservativen Christdemokraten Kanther - selbst Jurist undBefürworter strenger Strafverfolgung - bedeutet schon die Anklagebankeines Strafgerichtes einen schmerzlichen Niedergang. Der Mann, derdie Hessen-CDU zusammen mit Alfred Dregger stark gemacht hat, derfrüher Parteichef und Generalsekretär war, ist heute beiParteiveranstaltungen in Hessen kaum noch zu sehen. SeinBundestagsmandat hat er ohnehin längst zurückgegeben. Als KantherEnde Mai dieses Jahres 65 wurde, gratulierte «seine» Hessen-CDU demVater von sechs Kindern nur schriftlich.
Dass Kanther deshalb am 17. August «umkippen» und dem GerichtSensationelles über die Affäre mitteilen wird, glauben aber selbstvon den schärfsten Kritikern der Opposition nur wenige. Wie imhessischen und im Berliner Untersuchungsausschuss werde er dieVerantwortung auf sich nehmen. «Echter Parteisoldat. Den könnten diefoltern, der würde nichts sagen», kommentiert ein SPD-Abgeordneterbissig.