Untersuchungskommission Untersuchungskommission: Entscheidung für Irakkrieg der Briten wurde voreilig getroffen

London - Die britische Untersuchungskommission zum Irak-Krieg hat die Entscheidung Großbritanniens zur Beteiligung an der Invasion als voreilig angeprangert. Der damaligen Regierung unter Premierminister Tony Blair stellte der Bericht am Mittwoch ein verheerendes Zeugnis aus: Sie sei den USA blind gefolgt und habe das Land in einen schlecht geplanten und nicht gerechtfertigten Einsatz geführt.
Blair äußerte sein Bedauern, verteidigte aber zugleich die Kriegsentscheidung. Die politische Entscheidung sei auf der Grundlage mangelhafter Geheimdiensterkenntnisse getroffen worden und bevor alle „friedlichen Optionen für eine Entwaffnung“ des Irak ausgeschöpft worden seien, zitierte der Kommissionsvorsitzende John Chilcot, nach dem das Gremium benannt ist, in London aus dem Report. „Ein Militäreinsatz war damals nicht das letztmögliche Mittel.“
„Keine unmittelbare Gefahr“ von Saddam Hussein
Zudem sei von Machthaber Saddam Hussein 2003 „keine unmittelbare Gefahr“ ausgegangen. Blair habe dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush in einem Brief Juli 2002 geschrieben: „Ich bin mit dir, was auch geschehen möge.“ Für die Nachkriegsphase gelte: „Trotz ausdrücklicher Warnungen wurden die Folgen der Invasion unterschätzt.“ Die Planungen und Vorbereitungen für einen Irak nach Saddam seien „völlig unzureichend“ gewesen, hieß es in dem Bericht, der nun nach sieben Jahren Arbeit in der Untersuchungskommission veröffentlicht wurde.
Die Irak-Invasion war heftig umstritten, weil sie nicht durch ein klares UN-Sicherheitsratsmandat gedeckt war. Angebliche Massenvernichtungswaffen wurden nie gefunden. Bereits 2004 kam ein britischer Untersuchungsbericht zu dem Schluss, dass Blair die „Beweise“ der Geheimdienste für die Existenz dieser Waffen im Parlament aufbauschte. Chilcot ließ nun keinen Zweifel daran, dass der Entscheidungsprozess aus rechtlicher Sicht „alles andere als befriedigend“ gewesen sei.
Blair entschuldigt sich
Blair trat nach der Veröffentlichung des Berichts in London vor die Presse und sagte mit brüchiger Stimme: „Ich drücke mehr Kummer, Bedauern und Entschuldigung aus, als Sie jemals wissen mögen oder glauben können.“ Demnach entschuldigte er sich für „Fehler“, bezeichnete die Entscheidung für den Krieg aber als „richtig“. Er habe mit einem reinem Gewissen gehandelt, sagte Blair.
„Wie der Bericht deutlich macht, gab es keine Lügen, Parlament und Kabinett wurden nicht in die Irre geführt, es gab keine geheime Kriegsabsprache.“ Saddam Hussein sei ein „Quell des Terrors“ gewesen. „Ich glaube, wir haben die richtige Entscheidung getroffen und die Welt ist besser und sicherer.“ Zuvor hatte Blair erklärt, im „besten Interesse des Landes“ gehandelt zu haben.
179 britische Soldaten starben
Bis zu 46.000 britische Soldaten waren in Spitzenzeiten während des jahrelangen Konflikts und danach im Irak im Einsatz. Während des Krieges und der anschließenden konfessionell motivierten Gewalt wurden mehr als 150.000 Iraker getötet. Auch 179 britische Soldaten starben in dem Einsatz. 2009 zogen die meisten britischen Soldaten ab. Bis heute wird der Irak von Gewalt und Extremismus erschüttert.
Angehörige getöteter Soldaten betrachten den Chilcot-Bericht nun als rechtliche Grundlage für Ermittlungen gegen Blair und andere Verantwortliche. Diese müssten sich „für ihre Aktionen vor Gericht verantworten“, sagte Roger Bacon, dessen Sohn Matthew 2005 im Irak starb. Auch Rose Gentle, die ihren Sohn Gordon im Krieg verlor, sagte an Blairs Adresse gerichtet: „Ich mache ihn für den Mord an meinem Sohn verantwortlich.“
Der amtierende Premierminister David Cameron erklärte in einem Brief an das Parlament, alle Abgeordneten, die damals für den Einsatz gestimmt hätten, müssten dafür auch ihren „fairen Teil der Verantwortung“ tragen. „Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, aber wir können Lehren daraus ziehen.“ Auch die Organisation Transparency erklärte, die „Fehler“ des Irak-Einsatzes dürften sich niemals wiederholen. (afp)