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Unterschiede bei der Steuerfahndung Unterschiede bei der Steuerfahndung: Große Fische, wenige Angler

Von Mira Gajevic 22.05.2013, 17:08
Südländer locken mit reizvoller Natur - und wenigen Steuerfahndern.
Südländer locken mit reizvoller Natur - und wenigen Steuerfahndern. dpa Lizenz

BERLIN/MZ - Es gibt viele Gründe, warum es sich als Vermögender in Bayern besonders gut leben lässt. Dem Freistaat geht es wirtschaftlich blendend, es locken prachtvolle Berge und Seen, Italien liegt gleich um die Ecke. Vor allem aber: Es gibt sehr wenige Steuerfahnder und Betriebsprüfer. Für einige Begüterte dürfte Letzteres die schönen Landschaften glatt schlagen. Denn die Wahrscheinlichkeit, ins Visier von Finanzbeamten zu kommen, ist in keinem Bundesland so gering wie in Bayern, daran ändert auch die Selbstanzeige eines Prominenten wie Uli Hoeneß, dem Präsidenten des FC Bayern München, nichts.

Viele Stellen unbesetzt

Ausgerechnet im wirtschaftsstarken Freistaat fehlt laut der Gewerkschaft Verdi besonders viel Personal, die Stellen von 145 Steuerfahndern und 577 Betriebsprüfern sind unbesetzt, das ist bundesweit Rekord. Ähnlich sieht es in Baden-Württemberg aus, dessen Landesregierung zumindest in den vergangenen Jahren ebenfalls keinen großen Ehrgeiz an den Tag legte, dem hinterzogenen Geld ihrer Bürger auf die Spur zu kommen. Große Fische gibt es in Süddeutschland genug, aber viel zu wenige Angler.

Dabei dürften die Beamten ihr Geld wert sein: Bis zu eine Million Euro Einnahmen bringt ein Betriebsprüfer dem Staat im Jahr, bei Personalkosten von 70 000 Euro. Ein Fahnder kostet im Schnitt 80 000 Euro im Jahr, treibt nach Angaben der Deutschen Steuergewerkschaft aber im Durchschnitt sogar 1,5 Millionen Euro jährlich ein. Selbst bei Kontrollen der Kleinbetriebe erziele ein Prüfer im Schnitt Mehrergebnisse von 400 000 Euro im Jahr, stellte der Bayerische Rechnungshof fest.

Trotzdem wird im Freistaat ein Kleinunternehmen nur alle 40 Jahre vom Außendienst kontrolliert – empfohlen wird ein Turnus von 14 bis 20 Jahren. Kleinstbetrieben wie Restaurants droht statistisch sogar nur alle 100 Jahre Besuch vom Prüfer. In anderen Bundesländern sieht es nicht besser aus. Verdi zufolge fehlen bundesweit 3 700 Betriebsprüfer und 590 Fahnder, obwohl die Zahl der Betriebe und Einkommensmillionäre wächst. Dem Fiskus entgehen dadurch nach Angaben des Bundesrechnungshofs pro Jahr sieben Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Andere Schätzungen gehen von bis zu 30 Milliarden Euro aus.

Standortvorteil

Es ist sicher kein Zufall, dass die wirtschaftlich starken Südländer, bei denen es mutmaßlich die meisten Steuerhinterzieher gibt, wenig Wert auf schlagkräftige Steuerbehörden legen. Schließlich kann es ein Standortvorteil sein, wenn sich niemand vor der Steuerfahndung fürchten muss.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es zudem, dass es sich für ein Geberland gar nicht lohne, Geld für die Steuerfahndung auszugeben, da die zusätzlichen Einnahmen ohnehin an den Bund gehen oder in den Länderfinanzausgleich wandern. Und so absurd es ist, selbst die finanzschwachen Länder profitieren von geringeren Steuereinnahmen – denn wenn sie mehr Einnahmen erwirtschaften, erhalten sie entsprechend geringere Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich. Warum also die eigene Wirtschaft aufscheuchen, wenn die Früchte sowieso andere ernten? Der Steuerfahnder und Verdi-Experte Werner Stupka will das Argument nicht gelten lassen. „Die Gewerbesteuer bleibt immer im Bundesland, das sind immerhin 20 Prozent der Mehreinnahmen“, sagt er.

Dem Gewerkschafter geht es aber ums Grundsätzliche, und da ist er wieder ganz nah am Fall Hoeneß. Es sei schlichtweg eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn Steuerhinterziehung klammheimlich hingenommen werde, während das Gros der Ehrlichen brav seine Steuern zahlen müsse. „So kann eine Gesellschaft auf Dauer nicht leben“, sagt Stupka, „daran zerbricht sie.“ Dass etwas grundsätzlich schief läuft, illustriert für Stupka eine Zahl. 75 Prozent der Steuereinnahmen des Staates werden inzwischen von Lohn-, Mehrwert- und Energiesteuer bestritten, 1970 waren es gerade einmal 45 Prozent.

Bundesländer zögerlich

Wie es auch laufen kann, macht Nordrhein-Westfalen vor. Dort ist die Steuerfahndung in zehn eigenen Behörden organisiert, und nicht als Anhängsel von Finanzverwaltungen. Ähnlich funktioniert die Fahndung in Niedersachsen. Die Strukturen haben sich nach Ansicht von Experten bewährt.

Trotzdem zögern andere Bundesländer, sich neu aufzustellen. Und das ist nicht das einzige Problem. „Die Länderverwaltungen sind komplett voneinander abgeschottet“, sagt Steuerfahnder Stupka, „das ist vorsintflutlich.“ Der Bundesrechnungshof moniert, dass die Länder nicht mal eine einheitliche Steuersoftware verwenden. Datenaustausch? Fehlanzeige, es sei denn, der Fahnder hat gute Kontakte und bekommt Informationen auf dem kleinen Dienstweg. Viele rufen deshalb nach einer bundesweiten Fahndungsbehörde. Die Länder aber lehnen sie ab, müssten sie dafür doch Kompetenzen an den Bund abtreten.

Trotzdem, die Fahnder schöpfen Hoffnung. So wollen die Finanzminister der fünf größten EU-Staaten das strenge US-Gesetz über Steuerehrlichkeit für Auslandskonten zum internationalen Standard machen. Seit 2010 in Kraft, zwingt es ausländische Finanzinstitute, Konten von US-Steuerzahlern an die US-Steuerbehörde zu melden. Auch auf dem EU-Gipfel in dieser Woche wird das Thema eine Rolle spielen. Mehr zum Thema im Netz unter:www.mz-web.de/steuern