Ukraine-Krieg Ungarn erzwingt Aufhebung von EU-Sanktionen gegen Russen
Die EU-Sanktionen gegen Russland sind dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán seit langem ein Dorn im Auge. Jetzt müssen sich die anderen EU-Staaten ein Stück weit beugen. Das birgt Risiken.

Brüssel - Ungarn hat mit seinem Veto-Recht die Aufhebung von EU-Sanktionen gegen mehrere Russen erzwungen. Zu den Personen, die künftig nicht mehr auf der EU-Sanktionsliste stehen werden, gehört unter anderem der Oligarch Wjatscheslaw Mosche Kantor, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Zudem profitieren eine Schwester des bekannten russischen Unternehmers Alischer Usmanow sowie zwei weitere Personen von dem Vorgehen Ungarns.
Druckmittel war nach Angaben von Diplomaten die bis zu diesem Samstag notwendige Verlängerung von Russland-Sanktionen gegen mehr als 2.200 andere Personen und Organisationen. Die Entscheidung dafür erforderte einen einstimmigen Beschluss der 27 EU-Mitgliedstaaten. Ungarn drohte, diesen zu blockieren, wenn nicht mehrere Russen von der Liste genommen werden. Ursprünglich hatte das Land sogar gefordert, die Sanktionen gegen neun Personen aufzuheben.
Orbán hält Russland-Sanktionen nicht für zielführend
Der genaue Hintergrund des ungarischen Vorgehens ist unklar. Ministerpräsident Viktor Orbán hatte allerdings bereits mehrfach erklärt, dass er die Russland-Sanktionen der EU grundsätzlich nicht für zielführend hält.
Die Sanktionen der EU umfassen in der Regel Reisebeschränkungen, das Einfrieren von Vermögenswerten sowie das Verbot der Bereitstellung von Geldern oder anderen wirtschaftlichen Ressourcen. Sie wurden in den meisten Fällen als Reaktion auf die aus EU-Sicht ungerechtfertigte und grundlose militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine verhängt.
Das Risiko von Ungarns Vorstoß
Über die Forderungen Ungarns hatte es wochenlang Diskussionen gegeben, weil etliche Mitgliedstaaten sie zunächst nicht akzeptieren wollten. Als Risiko gilt, dass die Aufhebung der Sanktionen anderen Russen Argumente für Klagen gegen Strafmaßnahmen geben könnte.
So hieß es beispielsweise im Sanktionsbeschluss gegen Kantor, dieser habe enge Verbindungen zu Präsident Wladimir Putin, die ihm geholfen hätten, sein beträchtliches Vermögen zu sichern. Wegen seiner guten Beziehungen zum Kreml habe er von russischen Entscheidungsträgern profitiert, die für die rechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim durch Russland oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich seien. Nach Angaben der EU ist Kantor ein großer Anteilseigner von einem der größten Düngemittelhersteller Russlands.
Nur eine Personalie war unstrittig
Vergleichsweise unstrittig war nach Angaben von Diplomaten lediglich die Aufhebung von Sanktionen gegen Wladimir Raschewski, der früher Geschäftsführer und Direktor des Mineraldüngerherstellers EuroChem war. Er hatte im vergangenen Juli auch eine Klage vor dem EU-Gericht gegen EU-Beschlüsse gegen ihn gewonnen.
Spitzenvertreter der EU gingen in ihrer öffentlichen Kommunikation am Freitag nicht auf die Probleme mit Ungarn ein. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sogar davon, dass der Druck gegen Russland erhöht werde. „Unsere Entschlossenheit, die Ukraine zu unterstützen, ist entscheidend“, schrieb sie auf der Plattform X.