Trauerfeier für Lothar Bisky Trauerfeier für Lothar Bisky: "Ein wunderbarer Mann"

Berlin/MZ - Die wohl ergreifendste Rede, da sind sich hinterher alle einig, hat Andreas Dresen gehalten. Der Regisseur zutiefst menschlicher Filme wie „Halbe Treppe“ und „Halt auf freier Strecke“ studierte in Potsdam Regie, als Lothar Bisky Direktor der Filmhochschule war.
Bevor er ans Pult trat, hielt Dresen vor dem an die Wand projizierten Bisky-Porträt inne – so wie es Pfarrer in Gottesdiensten vor dem gekreuzigten Jesus tun. Dann erzählte er. Von dem guten Chef, der seinen Studenten den Rücken stärkte, wenn die SED-Oberen wegen unliebsamer Filme mal wieder Druck machten. Von dem Mann aus einfachen Verhältnissen, der gern Kartoffelsuppe aß und in die Politik wechselte, wo es vor allem belegte Brötchen gab. Und dass er, Dresen, diesen Wechsel verstanden habe – nicht aber, dass Bisky in der Politik blieb. Der Regisseur schloss mit den Worten: „Wie sehr hätte ich Dir noch ein paar schöne Jahre gewünscht – mit guten Büchern, Filmen und Kartoffelsuppe.“
Lothar Bisky ist vor vier Wochen gestorben. Er wurde 71 Jahre alt. Am Sonnabend gedachte die Linke in der Berliner Volksbühne jenes Mannes, der die aus der PDS hervorgegangene Partei als Vorsitzender wesentlich prägte. Es war eine ebenso würdige wie interessante Veranstaltung. Und, wie manche fanden, eine beschämende.
Würdig war das Gedenken, weil die Nähe der Redner zu dem Toten stets spürbar war. Linksfraktionschef Gregor Gysi sprach fast tonlos, ein Indiz dafür, dass ihm die Sache nahe ging. Er erinnerte daran, dass der langjährige Weggefährte als 18-Jähriger allein in die DDR übergesiedelt war, weil er das Gefühl hatte, dass das seine Sache ist. Dies sei eine beachtliche Entscheidung gewesen, sagte Gysi. Bisky habe sich als „durch und durch anständiger Charakter“ gezeigt – und nicht zuletzt deshalb als ein Anti-Politiker.
Interessant war die Veranstaltung, weil die Zeit vor 1989 in ihr auflebte, wie das nur noch ganz selten geschieht. So war neben Hans Modrow auch Egon Krenz erschienen. Und der Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel. Der frühere brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) kritisierte die seiner Ansicht nach allzu rigorose Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Diese habe zwischenzeitlich totalitäre Züge angenommen. Und der vormalige Erste Sekretär der SED-Bezirksleitung Potsdam, Heinz Vietze, rühmte den „Brandenburger Weg“ als das Bemühen, den Konsens zu suchen statt den Streit. Dass Brandenburg bis heute als „die kleine DDR“ gilt: Hier zeigte sich einmal mehr, warum.
Beschämend war schließlich, dass die zum Gedenken geladenen anderen Parteien der Feierstunde fern blieben. Zwar verlas die Europaabgeordnete Gabi Zimmer einen Brief des Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD). Schulz pries Bisky als „wunderbaren Mann“. Überraschenderweise war auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler angereist. Ansonsten glänzte die politische Klasse durch Abwesenheit. Manche werteten das als erneutes Zeichen der Demütigung wie 2005, als man Bisky nicht zum stellvertretenden Parlamentspräsidenten hatte wählen wollen.
Andreas Dresen hatte eingangs ja gesagt, er verstehe nicht, dass Lothar Bisky in der Politik geblieben sei. Er dürfte sich einmal mehr bestätigt fühlen.