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Til Schweigers geplantes Flüchtlingsheim Til Schweigers geplantes Flüchtlingsheim: Zweifel am "Vorzeigeheim" in Osterode am Harz

Von Vincent Streichhahn und DOreen Hoyer 08.08.2015, 08:29
Die ehemalige Rommel-Kaserne in Osterode ist in aller Munde, seitdem Til Schweiger verkündete, mit Freunden ein „Vorzeigeheim“ daraus zu machen. Viel hat sich auf dem Gelände bisher nicht getan. Ein Unternehmen vermietet inzwischen Gewerbeflächen auf dem Objekt.
Die ehemalige Rommel-Kaserne in Osterode ist in aller Munde, seitdem Til Schweiger verkündete, mit Freunden ein „Vorzeigeheim“ daraus zu machen. Viel hat sich auf dem Gelände bisher nicht getan. Ein Unternehmen vermietet inzwischen Gewerbeflächen auf dem Objekt. Chris Wohlfeld Lizenz

Osterode - Die Briefkasten-Anlage vor der ehemaligen Rommel-Kaserne in Osterode am Harz bietet ein seltsames Bild: Insgesamt 45?makellos weiße Kästen sind es. Doch nur an einem einzigen davon klebt ein Namensschild. „Princess of Finkenwerder GmbH“ steht darauf. Rund um die Kaserne ist es friedlich. Ein paar Jogger und Fußgänger sieht man, mehr nicht. Doch die Ruhe täuscht. Um die alte Kaserne in Osterode ist in den vergangenen Tagen eine heiße Diskussion entbrannt, angefacht von einem bekannten Schauspieler.

Anfang August verkündete Til Schweiger, er wolle zusammen mit Freunden aus der ehemaligen Kaserne in der niedersächsischen Kleinstadt eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge aufbauen. Ein „Vorzeigeheim“ mit vielen Freizeitangeboten solle es werden. Die Aufmerksamkeit war groß, doch die Geschichte ist älter. Bereits im vergangenen Jahr kaufte das Unternehmen Princess of Finkenwerder GmbH & Co. KG das etwa 20 Hektar umfassende Gelände der ehemaligen Rommel-Kaserne in Osterode. Der Geschäftsführer des Unternehmens, Wolfgang Koch, pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zu Schweiger. Welche konkrete Rolle der Schauspieler bei dem Projekt spielen soll, ist noch unklar.

Im März verkündete Koch mit Vertretern der Stadt und des Innenministeriums auf einer Bürgerversammlung in Osterode, dass eine Erstaufnahmestelle für etwa 600 Flüchtlinge geplant sei - damals noch ohne Schweiger. Ab Juni könnten die ersten 200 Flüchtlinge einziehen, hieß es damals. Bis heute wohnt niemand in der ehemaligen Kaserne, die seit 2004 leer steht. Für die Sanierung wäre laut dem Land ein zweistelliger Millionenbetrag notwendig. Ob die Bagger bald anrollen, ist jedoch ungewiss: „Es gibt derzeit keinen Vertrag mit den Eigentümern. Das Land prüft, ob der Standort Osterode den Anforderungen des Landes genügt“, erklärte Philipp Wedelich, Pressesprecher des niedersächsischen Innenministeriums, der MZ.

Wenn es nach dem Pressesprecher der Stadt geht, ist Osterode gut auf die Flüchtlinge vorbereitet. „Die Einstellung ist überwiegend positiv“, erklärt Karl-Heinz Löwe. Die Bürger verstünden, dass die Erstaufnahmestelle notwendig sei. Außerdem habe man in Osterode bereits Erfahrungen mit Flüchtlingen gesammelt. 250 Asylbewerber sind derzeit dezentral in der Stadt und den umliegenden Dörfern untergebracht. „Ich kann sagen, dass es in Osterode damit keine Probleme gibt“, so Löwe.

Auf der nächsten Seite: Die Bürger haben Bedenken und auch der Eigentümer der Kaserne scheint dubios zu sein. Und welche Rolle spielt Til Schweiger eigentlich?

Das sieht Reiner Oppermann anders. Er wohnt nur wenige Meter von der alten Kaserne entfernt und fürchtet, dass die geplante Erstaufnahmestelle seine Pläne durchkreuzt. „Eigentlich will ich mein Haus verkaufen“, sagt Oppermann. Einen Interessenten habe er schon. „Aber ob er das Haus unter diesen Umständen noch haben will, bezweifle ich.“ Selbst wenn der Handel zustande komme: Der Käufer werde vermutlich weniger für das Haus zahlen, als es wert ist, befürchtet Oppermann. „Klar muss man Kriegsflüchtlingen helfen“, sagt er. „Aber müssen gleich 600?Leute auf einem Fleck einquartiert werden?“

Auch Oppermanns Nachbarn haben Bedenken. Uwe und Bianca Haake leben gleich gegenüber. Man kennt sich, grüßt sich, plaudert manchmal am Straßenrand. Uwe Haake bezweifelt, dass es bei 600 Flüchtlingen bleibt. „Vielleicht leben in zwei, drei Jahren doppelt so viele Menschen in der alten Kaserne wie anfangs geplant“, sagt er. Zudem sei es fragwürdig, ob der Eigentümer der Kaserne dem Projekt überhaupt gewachsen ist. „Ich bezweifle, dass diese Firma wirklich weiß, wie man Flüchtlinge ordentlich unterbringt und versorgt“, sagt Bianca Haake. Vermutlich gehe es den Betreibern nur darum, ein gutes Geschäft zu machen.

Die Bürgerinitiative „Für Osterode“ zweifelt ebenfalls an der fachlichen Kompetenz des Eigentümers. „Wir kritisieren, dass ein privater Eigentümer ohne Erfahrung auf dem Gebiet die Erstaufnahmestelle betreiben soll und dazu noch mit dubiosen Geschäftspartnern verbandelt ist“, erklärt Bernd Hausmann, Mitglied der Initiative. Das Unternehmen Princess of Finkenwerder sei bisher für Akteneinlagerungen und die Betreuung von Rechenzentren zuständig gewesen und habe noch nie eine Flüchtlingsunterkunft betrieben, heißt es in Medienberichten.

Damit lässt sich aber eine Menge Geld verdienen. Das Land Niedersachsen bezahlt den Kommunen seit Juni 8.200 Euro pro Asylbewerber jährlich. Bei 600 untergebrachten Flüchtlingen brächte das dem Unternehmen Einnahmen von bis zu 4,9 Millionen Euro pro Jahr.

Umstritten ist auch die Beteiligung eines weiteren Unternehmens namens Greenzone Consulting. Es handelt sich um eine weltweit tätige Sicherheitsfirma, deren Geschäftsführer Jan Karras vergangenes Jahr beim Erwerb der ehemaligen Kaserne mit Wolfgang Koch vor die Kamera trat. Außerdem soll Karras für den Personenschutz von Til Schweiger verantwortlich sein. „Die internationalen Einsatzkräfte sind allesamt erfahrene ehemalige Militärangehörige“, hieß es auf der inzwischen nicht mehr erreichbaren Homepage des Unternehmens. Der NDR berichtete bereits im März von der Sicherheitsfirma. Bei einer Rückfrage im niedersächsischen Innenministerium geht Pressesprecher Philipp Wedelich in die Defensive: „Das Land hat nie gesagt, dass es mit der besagten Firma verhandeln will und diese Firma war auch nie an den Verhandlungen beteiligt. Wir setzen hohe Standards an den Sicherheitsdienst“, versichert Wedelich. Wolfgang Koch und Jan Karras waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Trotz aller Ungewissheiten: Viele Menschen in Osterode unterstützen den Plan, 600 Flüchtlinge in der alten Kaserne unterzubringen. „Ich sehe das positiv. Man sollte mit den Asylsuchenden solidarisch sein“, sagt Helge Achmus, der in einem Nachbarort wohnt. Der 52-Jährige ist Kunde eines Kfz-Schilderladens, der gleich neben der Kaserne steht. Achmus verweist auf die deutsche Geschichte: „Gerade wir sollten Fremden gegenüber aufgeschlossen sein.“
Ähnlich sieht das Maren Kellner. Die 24-Jährige arbeitet in Osterode. „Ich bin absolut offen dafür, hier noch mehr Flüchtlinge unterzubringen“, sagt sie - und diskutiert mit ihrem Bekannten Ahmet Temam. Der 44-Jährige kam vor fast 30 Jahren aus der Türkei nach Deutschland. „Ich bin nicht gegen die Erstaufnahmestelle“, betont er. Die Flüchtlinge hätten Hilfe verdient. Ob sie sich alle gut in Deutschland einleben, bezweifelt Temam aber. „Sie haben viel durchgemacht. Man muss an diese Angelegenheit vorsichtig rangehen.“ (mz)

Schauspieler Til Schweiger sorgte für großes Aufsehen, nachdem er verkündet hatte, dass er ein Flüchtlingsheim errichten wolle.
Schauspieler Til Schweiger sorgte für großes Aufsehen, nachdem er verkündet hatte, dass er ein Flüchtlingsheim errichten wolle.
dpa Lizenz