Thüringen Thüringen: Demonstration gegen NPD-Parteitag in Kirchheim

Berlin/MZ/Dpa. - In Kirchheim hängen seit Freitag Plakate. „Kein Ort für Nazis“ steht darauf, angebracht unter anderem von der Spitzenkandidatin der SPD bei der Thüringer Landtagswahl, Heike Taubert. Auch Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) signalisierte, dass ihr Land für Rechtsextremisten nichts übrig habe.
Am Samstag demonstrieren zahlreiche Menschen friedlich gegen den Parteitag. Rund 180 Demonstranten folgten am Vormittag dem Aufruf mehrerer Bürgerbündnisse gegen Rechtsextremismus und versammelten sich in Sichtweite des NPD-Veranstaltungsortes, wie eine Polizeisprecherin in Kirchheim sagte. Ankommende NPD-Mitglieder wurden den Angaben zufolge mit lautstarken Protesten begrüßt. Die Partei war kurzfristig in einen privaten Kirchheimer Gasthof ausgewichen, nachdem die Stadt Saarbrücken den dort geplanten Parteitag untersagt hatte.
Kirchheim hat das Pech, am Samstag jenen NPD-Parteitag erdulden zu müssen, der eigentlich in Saarbrücken hatte stattfinden sollen. Dort war ein Vertrag mit der Stadt geplatzt.
Noch radikaler mit Pastörs
Vordergründung will die NPD ihre Kandidaten für die Europawahl bestimmen. Nicht zuletzt der einstige Parteivorsitzende Udo Voigt möchte auf Platz eins der Liste. Bei dem Urnengang im Mai gilt nur eine Drei-Prozent-Hürde. Bemerkenswerter als die Nominierung ist die voraussichtliche Wahl von Udo Pastörs zum neuen Parteichef. Mit dem 61-Jährigen wird die radikale Partei noch radikaler. Er will übrigens ebenfalls Listenplatz eins.
Der bisherige Vorsitzende Holger Apfel, der jetzt auch sein Landtagsmandat in Sachsen niederlegte, war aus dem Amt gemobbt worden und hat die NPD inzwischen verlassen. Man hatte unbewiesene Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn erhoben. Der NPD-Vorstand bestimmte Pastörs zu Apfels Nachfolger. Das muss in Kirchheim bestätigt werden.
„Judenrepublik“ Deutschland
An Pastörs Gesinnung gibt es keine Zweifel. Im Gegenteil, in einer berüchtigten Rede beim politischen Aschermittwoch der NPD in Saarbrücken vor fünf Jahren nannte er die Bundesrepublik Deutschland „Judenrepublik“, bezeichnete türkische Männer als „Samenkanonen“ und den ehemaligen Vorstand der US-Notenbank Alan Greenspan als „Krummnase“. Pastörs wurde wegen Volksverhetzung verurteilt. Die Diktion des gebürtigen Rheinländers ist scharf, sein Verhältnis zur Gewalt locker. Der zeitweilig betriebene Versuch der NPD, sich zu tarnen und in die Mitte der Gesellschaft vorzurücken, ist mit Pastörs ad acta gelegt. Jüngste Umfragen weisen zudem aus, dass sie um den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag fürchten muss. Die NPD wäre dann bloß noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten, wo Pastörs die Fraktion anführt.
In Mecklenburg-Vorpommern traten am Freitag schließlich weitere finanzielle Probleme zutage. Der Landtag fordert von der NPD-Fraktion 80 000 Euro zurück. Sie soll Geld für einen Mitarbeiter kassiert haben, der gar kein Mitarbeiter war. Die Partei ist seit längerem klamm.
Der Parteitag und Pastörs’ Wahl könnten also womöglich beitragen zu dem Versuch, die NPD beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verbieten zu lassen. Der neue Chef ist ja nicht allein zweifelsfrei verfassungsfeindlich, sondern auch – das zweite Kriterium für ein Verbot – aggressiv-kämpferisch. Andererseits könnte Pastörs die Partei so bedeutungslos machen, dass der Europäische Gerichtshof sie als nicht verbotswürdig einstuft. Viel helfen würde der NPD das aber auch nicht mehr.