Terrorismus Terrorismus: Haftbefehl gegen Motassadeq bleibt bestehen

Hamburg/Washington/Karlsruhe/dpa. - Die Freilassung des Angeklagten Abdelghani Mzoudi im Hamburger Prozess um die Terroranschläge vom 11. September 2001 schlägt weiter hohe Wellen. Die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG), den Haftbefehl auf Grund einer anonymen Zeugenaussage aufzuheben, stieß sowohl in den USA als auch bei Generalbundesanwalt Kay Nehm auf Kritik. Ob Mzoudi auf freiem Fuß bleibt, wird der Bundesgerichtshof (BGH) voraussichtlich erst kommende Woche entscheiden. Auch über eine mögliche Haftentlassung des im ersten Hamburger Terrorprozess zu 15 Jahren verurteilten mutmaßlichen Terrorhelfers Mounir El Motassadeq soll frühestens Montag entschieden werden.
Das OLG hatte den Haftbefehl gegen Mzoudi am Donnerstag auf Grund einer vom Bundeskriminalamt (BKA) übermittelten Aussage aufgehoben, die vom mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge, Ramzi Binalshibh, stammen soll. Weder der wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3000 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagte Mzoudi noch El Motassadeq sollen danach in die Vorbereitung der Attacken eingebunden gewesen seien. Binalshibh befindet sich in Gewahrsam der US-Behörden.
US-Justizminister John Ashcroft sagte einem Bericht der «New York Times» vom Freitag zufolge, er sei «enttäuscht darüber, dass der Fall diese Richtung eingeschlagen hat». Der Justiz in den USA gehe es sehr wohl um die Frage von Schuld oder Unschuld, aber sie berücksichtige auch die Bedürfnisse der nationalen Sicherheit.
Generalbundesanwalt Nehm bezweifelte die juristische Verwertbarkeit des BKA-Papiers. «Ich denke auch, dass die Richter gut beraten gewesen wären, doch vielleicht eine Nacht darüber zu schlafen und zu überlegen, was wirklich in dieser Erklärung steht und dann sorgfältig zu prüfen, wie passt das alles mit den bisherigen Beweisergebnissen des Verfahrens zusammen», sagte er am Donnerstagabend in der ARD. Die CDU/CSU-Fraktion hält eine Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages in der kommenden Woche für erforderlich, um die Hintergründe aufzuklären.
Die Bundesregierung will sich dagegen nicht in den Rechtstreit um die Mzoudis Freilassung einmischen. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg verwies darauf, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele. Zu den bisher von den USA zurückgehaltenen Verhörprotokollen Binalshibhs betonte das Innenministerium, das sei reine Sache der Vereinigten Staaten. «Wir respektieren das.»
Ob Mzoudi auf freiem Fuß bleibt, wird der BGH voraussichtlich erst kommende Woche entscheiden. Bisher sei noch keine Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen die Aufhebung des Haftbefehls eingegangen, sagte ein Sprecher am Freitag.
Unmittelbar nach der Freilassung Mzoudis hatten El Motassadeqs Anwälte auch die Entlassung ihres Mandanten beantragt. Darüber will das OLG Hamburg «nicht vor Montagnachmittag» entscheiden, teilte das Gericht mit. Die Bundesanwaltschaft hat beantragt, den Haftbefehl aufrecht zu erhalten. Eine entsprechende Stellungnahme sei dem OLG vorgelegt worden, sagte Pressesprecherin Frauke-Katrin Scheuten.
«Der Inhalt des Behördenzeugnisses des Bundeskriminalamts vom 10. Dezember gibt in keiner Weise Anlass, die bisherige tatsächliche oder rechtliche Bewertung in Bezug auf die Verurteilung El Motassadeqs abzuändern», meinte Scheuten. Rechtsanwalt Josef Gräßle-Münscher glaubt dagegen nicht, dass die Verurteilung seines Mandanten Bestand hat. Nach der Freilassung Mzoudis müsste ein Wiederaufnahmeverfahren durch neue Beweismittel für El Motassadeq mit einem Freispruch enden, sagte er der dpa. Die Wiederaufnahme sei nun «ein Selbstgänger».