Terroranschlag von Djerba 2002 Terroranschlag von Djerba 2002: Oberlandesgericht muss über Informationspflicht entscheiden

Celle/dpa. - Der Terroranschlag von Djerba hat während einerUrlaubsreise 2002 das Leben des kleinen Adrian Esper zerstört.Niemals wird der Siebenjährige so unbeschwert wie andere Kinderspielen, rennen oder lachen können - seine bei dem Anschlagerlittenen schlimmen Verletzungen hindern ihn daran. Doch hätte derReiseveranstalter 1-2-Fly - Tochter des weltgrößten Touristik-Konzerns TUI - vor einem möglichen Anschlag warnen müssen, so dassAdrian heute vielleicht noch gesund sein könnte? Darüber wird dasOberlandesgericht (OLG) Celle an diesem Donnerstag (22.)entscheiden.
Die Richtung des Urteils ist bereits vorgegeben. «Es ist eherunwahrscheinlich, dass der Senat zu dem Ergebnis kommen könnte, dassfür die Beklagte ein Anlass zur Warnung vor terroristischenAnschlägen bestand», kündigte Richter Norbert Cech am letztenProzesstag an. Die Aussagen von Zeugen legten aus seiner Sichtdiesen Schluss nahe. «Unverständlich», nennt das der Anwalt derFamilie Esper, Burghardt Lau. Der jüngste Verlauf der Verhandlungsei für ihn «nicht ganz nachvollziehbar».
Dabei hatte es für die Kläger zunächst gut ausgesehen. Denn dassdas Gericht überhaupt Zeugen lud, wurde von Beteiligten undBeobachtern mit Überraschung aufgenommen. «Das lässt daraufschließen, dass das Gericht grundsätzlich davon ausgeht, dass derReiseveranstalter eine Informations- und Erkundigungspflicht hat,wenn bestimmte Indizien vorliegen», meint Ronald Schmid, Professorfür Reiserecht an der Technischen Universität Dresden. «Deshalb wirddas Urteil - unabhängig davon, wie es ausfällt - Aussagekraft fürkünftige Fälle haben.» Das Landgericht Hannover hatte die Klage inerster Instanz mit der Begründung abgewiesen, dass Terroranschlägeseit dem 11. September 2001 zum «allgemeinen Lebensrisiko» gehörten.
El-Kaida-Terroristen hatten am 11. April 2002 vor der Synagoge«La Ghriba» auf der tunesischen Ferieninsel Djerba einen Tankwagenzur Explosion gebracht. Dabei starben 22 Menschen, der kleine Adrianaus Bergkamen in Nordrhein-Westfalen erlitt Verbrennungen an 40Prozent seiner Haut. «Er wird sein Leben lang auf Hilfe angewiesensein, immer angestarrt und an seine Verletzungen erinnert werden»,sagt seine Mutter Andrea Esper. Vom Reiseveranstalter fordert dieFamilie für Adrian 100 000 Euro Schmerzensgeld und eine monatlicheRente.
Nach Auffassung der Espers gab es unmittelbar vor dem Attentat inTunesien Unruhen, auf die 1-2-Fly die Reisenden hätte hinweisenmüssen. Das Auswärtige Amt hatte damals lediglich vorKleinkriminalität in Touristenhochburgen gewarnt. Und vonDemonstrationen auf einen bevorstehenden Terroranschlag zuschließen, sei ein «riesiger Schritt», sagt TUI-Anwalt AndreasKohlrautz. Seitens des Reiseveranstalters habe es keinen Anlass füreine Warnung gegeben.
Das Leid des Jungen bezweifelt die TUI nicht. Das Unternehmen hatfür die sieben vom Anschlag betroffenen KinderAusbildungsversicherungen in insgesamt sechsstelliger Höheabgeschlossen. Adrian erhielt überdies 250 000 Euro aus demOpferfonds der Bundesregierung und 100 000 Euro vom tunesischenHotelverband.
Um bei Terroranschlägen in Urlaubsgebieten eine einheitlicheEntschädigungsregelung zu finden, plädiert Reiserechtler Schmid fürdie Einrichtung eines Opferfonds durch die Tourismusbranche. «Diesersollte dadurch gefüttert werden, dass jeder Kunde bei einer Reiseetwa einen Euro Aufschlag zahlen muss.» Ähnliches hatte auch RichterCech am ersten Prozesstag angeregt.
Wie auch immer das Urteil des OLG ausfallen wird - ein Ende desRechtsstreits ist nicht unbedingt absehbar. Denn wenn das OLGRevision zulässt, wird der Verlierer wahrscheinlich vor denBundesgerichtshof ziehen.