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Terror in Tunesien Terror in Tunesien: So erlebten zwei deutsche Touristen den Terror-Anschlag im Hotel

Von Kendra Stenzel 26.06.2015, 17:46
Der abgesperrte Tatort am Strand des Riu-Hotels «Imperial Marhaba» in Sousse
Der abgesperrte Tatort am Strand des Riu-Hotels «Imperial Marhaba» in Sousse dpa Lizenz

Halle/Köln - Franziska: Wir sind seit Dienstag hier im Hotel. Den Freitagmorgen haben wir am Pool verbracht. Plötzlich hat es aus Strandrichtung geknallt. Es hat sich angehört wie Feuerwerk oder als ob etwas in der Küche explodiert. Wir haben uns nicht viel dabei gedacht. Irgendwann hat es dann noch einmal geknallt – und plötzlich kamen Menschen vom Strand aus in unsere Richtung gelaufen. Irgendwer hat gerufen „run, run, run!“, also sind wir mit den anderen gerannt. Es herrschte Panik. Bis zum Haupthaus des Hotels waren es etwa 150 Meter. Unterwegs haben Jan und ich uns zwischen den Menschen aus den Augen verloren.

Hinter der Rezeption geht es in eine Art Kellerraum, eine Vorratskammer. Da sind wir rein, um Schutz zu suchen. Wir waren etwa 50 Menschen, hauptsächlich Briten und Franzosen. Der Raum war stickig, voll Oliven und Spirituosen. Wasser gab es eigentlich nicht. Panik ging um. Ein Mann blutete am Bauch. Ihn hatte wohl eine Kugel gestreift. Ich habe versucht, andere ein wenig zu beruhigen. Es gab Handys, doch kaum Empfang. Also haben wir gewartet, ein oder zwei Stunden, so hat es sich zumindest angefühlt.

Jan: Ich bin währenddessen mit einem britischen Pärchen im Aufzug nach oben gefahren. Ich hatte ja nichts dabei, unsere Sachen lagen immer noch an den Liegen am Pool. Also bin ich zu dem Pärchen aufs Zimmer. Warum weiß ich nicht, ob uns das jemand geraten hat oder nicht – ich glaube, das haben alle einfach automatisch gemacht.

Wir haben dann vom Balkon aus beobachtet, was um uns rum passiert, aber man sah nicht wirklich etwas. Ein entfernter Knall. Dann Tunesier, die über die Straßen rannten. Kurze Stille. Dann Schüsse – und plötzlich kamen die Schüsse von der anderen Seite. Sie müssen also durch das Hotel oder um das Hotel gelaufen sein. Ich weiß nicht mehr, wann ich realisiert habe, dass das Schüsse waren. Ich glaube irgendwer hat gerufen: „Shooting, shooting!“ Wir haben den Fernseher eingeschaltet und BBC geschaut. Erst lief nichts über Tunesien. Wir haben die Nachrichten aus Frankreich gesehen, dann aus Kuwait. Als dann endlich etwas über Tunesien kam, war mein erster Gedanke: Das hat sicher was miteinander zu tun. Zwischendurch sind wir immer wieder auf den Balkon. Ich habe mich gefragt, ob die Täter jetzt vielleicht in einem anderen Hotel sind. Und immer wieder die Gedanken: Wo ist Franzi? Geh ich raus? Wieso gibt es keine Infos? Dann habe ich gesehen, wie Menschen auf Liegen vom Strand zum Hotel getragen wurden...

Franziska: Die Armee hat uns aus dem Raum geholt. Im ersten Moment war man sich gar nicht sicher, ob das jetzt Polizei ist oder nicht, sie hatten riesige Maschinengewehre. Irgendwann bin ich ihnen dann gefolgt. Als wir wieder draußen waren, haben wir dann die Verletzten und Leichen liegen sehen.

Irgendwann haben Jan und ich uns dann wiedergefunden. Natürlich haben wir uns direkt bei Familie und Freunden gemeldet, damit sie sich keine Sorgen mehr machen müssen.
Das Hotel versorgt uns, aber natürlich herrscht Chaos. Irgendwann kam der Präsident mit seiner ganzen Riege, überall ist die Presse, nichts ist abgesperrt. Die Stimmung ist natürlich schlecht.
Der Tui-Reiseveranstalter hat die Urlauber später in der Lobby darüber informiert, dass sie noch in der Nacht einen Lufthansa-Flieger nach Frankfurt nehmen können. Die Entscheidung läge bei ihnen. Aber das gilt natürlich nur für die, die über den Reiseveranstalter gebucht haben. Wir haben direkt gebucht – und wir wissen noch nicht, was wir jetzt machen. Wir könnten natürlich das Hotel wechseln oder auch zurück nach Hause fliegen. Doch ganz ehrlich: Ich habe Bedenken, an den Flughafen zu fahren. Vielleicht ist es hier gerade sicherer.

Aufgezeichnet von Kendra Stenzel

Franziska und Jan überlebten den Anschlag von Sousse.
Franziska und Jan überlebten den Anschlag von Sousse.
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Ein Einschussloch an einem Fenster des Hotels: Hier haben Franziska und Jan den Anschlag von Sousse überlebt.
Ein Einschussloch an einem Fenster des Hotels: Hier haben Franziska und Jan den Anschlag von Sousse überlebt.
dpa/privat Lizenz