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Technik Technik: Auch Hitlers «Wunderwaffen» retteten das Nazi-Reich nicht

Von Chris Melzer 01.04.2005, 05:55

Hamburg/dpa. - Das Ungetüm, das deutsche Soldaten in derArdennen-Offensive in Stellung brachten, erinnerte eher an eineWasserleitung als an eine Wunderwaffe. Von dem 50 Meter langen Rohrgingen alle paar Meter Abzweigungen ab, sauber angeflanscht undsorgsam vernietet. Doch was von den Landsern spöttisch«Tausendfüßler» genannt wurde, war als V-3 eine der letztenHoffnungen der Nazis: Die Superkanone sollte die Alliiertenverhandlungsreif schießen.

Das Prinzip der Mehrkammerkanone war alt und simpel, technischjedoch höchst kompliziert. Ein Geschoss sollte im Lauf alle paarMeter neu gezündet werden und so auf ungeahnte Reichweiten kommen.Das Geschütz, das im Dezember 1944 bei Trier stand, war schon dieverkürzte Version. Der ursprüngliche Plan sah an der Kanalküste 50solche «Hochdruckpumpen» vor, jede 130 Meter lang und mit einerReichweite 160 Kilometer. Als die Ingenieure auf einemVersuchsgelände an der Ostsee im Sommer 1944 die Distanz auf 140Kilometer gebracht hatten, vereitelte die Landung in der Normandiedie Angriffspläne gegen London.

Stattdessen wurde vom Ruwertal bei Trier aus das 42 Kilometerentfernte Luxemburg mit 155-mm-Granaten beschossen. Kadenz: DreiSchuss pro Tag; Streuung: Vier Kilometer. Die 183 Sprenggranatentöteten zehn Menschen, ansonsten ereilte die V-3 das Schicksal deranderen «Vergeltungswaffen»: Technisch brillant, moralischfragwürdig, militärisch völlig unbedeutend.

Das galt schon für die V-1 und die V-2, die von der deutschenPropaganda gefeiert und der westeuropäischen Bevölkerung gefürchtetwurde. Die V-1 war eine Flügelbombe mit Staustrahlantrieb, der überdem Ziel verlöschte und so die 850 Kilo Sprengladung ins Ziel fallenließ. Das knapp 660 Stundenkilometer schnelle Gerät wurde zuZehntausenden eingesetzt, doch Sabotage der Zwangsarbeiterbei der Produktion und eine ausgeklügelte Flugabwehr der Britennahmen dem ersten Marschflugkörper die Wirkung - nicht den Schrecken.

Der verwandelte sich in Panik, als am 8. September 1944 die ersteV-2 in London einschlug. Im Gegensatz zur laut knatternden undlangsamen V-1 war die 14 Meter lange Rakete drei Mal so schnell. Wennman sie wahr nahm, war es schon zu spät. Und: Es gab gegen die ersteballistische Rakete der Kriegsgeschichte keinerlei Abwehr.

Andere «Wunderwaffen» schafften es nicht einmal, dieAufmerksamkeit des Feindes zu erregen. Das galt für die Schallkanone,mit der gegnerische Infanterie per Druckwelle, mit einem Hohlspiegelgebündelt, bekämpft werden sollte. Ähnlich sollte eine zwölf Meterlange «Windkanone» arbeiten, um mit Knallgas Tiefflieger zubekämpfen. Erfolg versprechender war der Einsatz von Knallgas alsTreibmittel für Granaten. Immerhin kamen Testläufe auf eineGeschwindigkeit von 1600 Metern pro Sekunde.

Viele Waffen waren jedoch Richtung weisend und hätten den Kriegzumindest verlängern können. So arbeiteten deutsche Wissenschaftleran verschiedenen Panzerabwehrraketen, die per Draht oder Funk gelenktwurden. «Rotkäppchen» und «Pfeifenreiniger» waren Vorläufer derheutigen Panzerabwehrraketen. Das gleiche gilt für dieFlugabwehrrakete «Taifun», die Boden-Boden-Rakete «Rheinbote» und dieGleitbombe «Ruhrstahl». Militärisch blieben sie uninteressant, dochsetzten die Alliierten nach dem Krieg Sonderkommandos ein, um sichdie Technik zu sichern.

Ähnliches galt für die U-Boote. Auch wenn die so genannten«Walter-Boote», deren Antrieb keine Außenluft brauchte, nicht mehrwirksam zum Einsatz kamen und der akustikgelenkte Torpedo «Zaunkönig»die Erwartungen enttäuschte, war die deutsche U-Boot-Technik Spitze.Ähnlich weit war die Luftwaffenindustrie. Neben Fehlkonstruktionenwie Raketenflugzeugen wurden auch wegweisende Muster entwickelt wiedas erste in Serie produzierte Jagdflugzeug Düsenjäger Me-262«Schwalbe» mit Düsenantrieb oder der Strahlbomber Arado 234 «Blitz».Der Luftüberlegenheit der Alliierten konnten sie freilich nichtsanhaben.

So konnte auch die V-2 die Niederlage nicht verhindern. Sie istaber das Urmodell aller Atomraketen des Wettrüstens; und als 1969Wernher von Braun die ersten Menschen zum Mond schickte, tat er dassmit einer Rakete, die auf seiner V-2 basierte. Militärisch diegefürchtete «Wunderwaffe» allerdings ein Flop: Zwar fielen ihr etwa6000 Menschen zum Opfer. Mehr als drei Mal so viele starben aber beider Produktion in unterirdischen Zwangsarbeiterlagern.