Susanne Mauersberg Susanne Mauersberg: Viele Streitfragen ungeklärt
Berlin/MZ. - Mit ihr sprach Stefan Sauer.
Frau Mauersberg, welche neuen Rechte haben Patienten, wenn sie nach Inkrafttreten des Gesetzes am 2. Januar 2013 eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus betreten?
Mauerberg: Für die Patienten ändert sich eigentlich nichts. Neue Rechte, die es in dieser Form bisher überhaupt noch nicht gegeben hätte, kommen nicht dazu. Immerhin sind bisher verstreute Regelungen und Bestimmungen nun in einem Gesetz zusammengefasst. Auch wurde die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Teilen übertragen. Das ist schon etwas wert. Ein Gesetz gilt nun einmal mehr als eine höchstrichterliche Entscheidung, man kann sich leichter darauf berufen. Außerdem werden Gerichte auf der Basis dieses Gesetzes wiederum neue Entscheidungen fällen, die, so hoffen wir, die Rechte der Patienten stärken werden.
Das klingt, als sollten die Gerichte festlegen, was der Gesetzgeber nicht geschafft hat. Was hätten Sie sich denn gewünscht?
Mauerberg: Bei der Beweislast im Fall ärztlicher Behandlungsfehler hat man alles beim Alten gelassen. Die Beweislast liegt weiterhin komplett auf Seiten der Patienten. Ausnahme sind grobe Behandlungsfehler und diese Ausnahme gab es durch BGH-Urteile bisher schon. Im Patientenrechtsgesetz hätte man wenigstens präzise definieren können, was „grob“ bedeutet. Das ist aber nicht geschehen, obwohl gerade die Begriffsdefinition in vielen Verfahren die zentrale Streitfrage ist. Sie wird dann von den Richtern an ärztliche Gutachter delegiert, die ihren Berufskollegen in aller Regel nichts zuleide tun.
Die Gutachter prüfen nicht neutral?
Mauerberg: Nein, das tun sie sehr häufig nicht. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus - der Spruch ist in dem Zusammenhang schon 100 mal zitiert worden, aber er stimmt. Die Gerichte verstecken sich oft hinter den Gutachten – und die Patienten bleiben mit ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen einschließlich finanzieller, beruflicher und seelischer Folgen allein.
Müsste demnach das Gutachterwesen reformiert werden?
Mauerberg: O ja, ganz umfassend. Man müsste Pools unabhängiger Gutachter bilden, an die sich die Gerichte wenden müssten. Bisher berufen viele Gerichte ihnen bekannte Gutachter, ohne dass dabei Unabhängigkeit, Neutralität und Kompetenz eine Rolle spielen müssen. In der Justiz ist die auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen fußende, evidenzbasierte Medizin noch nicht angekommen. Die setzen eher auf Eminenz-basierte Gutachten des Herrn Professor Dr. Sowieso. Leider lässt das Patientenrechtegesetz auch da alle Wünsche offen. Die Gutachterei wird nicht einmal erwähnt, geschweige denn reformiert.
Was heißt denn auch? Wo denn noch?
Mauerberg: Wir fordern einen Entschädigungsfonds, der Opfern ärztlicher Behandlungsfehler schnell und abseits des Gerichtsweges hilft. Dem verweigert sich Herr Bahr aber ebenso wie unserem Anliegen nach mehr Mitsprache für die Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Wir wollten, dass die Patientenorganisationen wenigstens über Verfahrensfragen mit entscheiden dürfen. Aber selbst das wurde abgeblockt.
Verfahrensfragen? Klingt ja aufregend.
Mauerberg: Ist es in der Tat. Im GBA können nämlich Kassen- und Ärztevertreter ihnen missliebige Themen einvernehmlich auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben, ohne dass wir sie auf die Tagesordnung setzen könnten. Auf diese Weise ist gerade erst das Qualitätssicherungskonzept zur Vermeidung von Krankenhausinfektionen bis auf weiteres verschleppt worden. Man hat das Thema, das auf der Tagesordnung der öffentlichen BGA-Sitzung stand, zuerst in den nicht-öffentlichen Sitzungsteil verschoben und dann an Gremien zurück verwiesen, weil die Krankenhäuser die Qualitätssicherung nur für kleinere Operationen anwenden wollten, die auch ambulant vorgenommen werden können. Das wäre natürlich ein Witz. Bis es zu einer Einigung kommt, vergehen jetzt mindestens nochmal 12 Monate. Mit einem Stimmrecht in Verfahrensfragen könnten wir solche Mauscheleien unterbinden.
Sie lassen kein gutes Haar am Gesetz.
Mauerberg: Ein paar schon. Dass Patienten künftig über die Kosten für Leistungen, die die Kassen nicht zahlen, schriftlich informiert werden müssen, ist ganz sicher ein Fortschritt. Und dass es endlich überhaupt ein Patientenrechtegesetz gibt, doch auch.