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Straßenverkehr Straßenverkehr: Vor 70 Jahren wurde erste Autobahn in Deutschland eröffnet

Von Ingo Senft-Werner 19.05.2005, 07:44
Der offene Wagen mit Adolf Hitler zerreisst zur Einweihung des ersten Teilstücks der Reichsautobahn Frankfurt - Darmstadt am 19. Mai 1935 das weiße Band. (Foto: dpa)
Der offene Wagen mit Adolf Hitler zerreisst zur Einweihung des ersten Teilstücks der Reichsautobahn Frankfurt - Darmstadt am 19. Mai 1935 das weiße Band. (Foto: dpa) B0100 Ullstein

Darmstadt/dpa. - Als Prototyp gilt die knapp zehn Kilometer lange Avus in Berlin,die 1921 eingeweiht wurde. Drei Jahre später entstand in Italien dieerste Autostrada. Daraufhin gründete sich in Deutschland ein Verein,der den großen Wurf verfolgte: eine 900 Kilometer lange Betonpistevon Hamburg über Frankfurt nach Basel (Hafraba). Die Pläne für die«allein dem Kraftfahrzeugverkehr vorbehaltene, völlig kreuzungsfreieStraße» wurden allerdings im Reichstag mit den Stimmen der NSDAP undKPD abgelehnt. Nur die Autobahn ähnliche Kraftfahrstraße zwischenBonn und Köln wurde 1932 eröffnet.

Nach der Machtergreifung zogen die Nationalsozialisten die Papierewieder aus der Schublade und verbanden sie mit einem Programm zurSchaffung neuer Arbeitsplätze. «Die ökonomische Wirkung wirdallerdings überschätzt», sagt Schollenberger von derAutomobilhistorischen Gesellschaft. So schufteten 1935 rund 15 000Arbeiter auf 22 Autobahnbaustellen, später wuchs die Zahl auf 130 000Arbeiter. «Bei sechs Millionen Arbeitslosen war das eine eher zuvernachlässigende Größe, von den Arbeitsbedingungen ganz zuschweigen.»

Die Autohersteller zeigten sich zu Beginn alles andere alsbegeistert von den schnurgeraden Straßen. So wird der RüsselsheimerGeheimrat Wilhelm von Opel mit dem Ausspruch zitiert: «Autobahnbau?Dass unsere Motoren verrecken?» Die damaligen Wagen waren nicht fürlange Vollgas-Fahrten ausgelegt, und in den Folgejahren gab manchesModell auf den Langstrecken seinen Geist auf. Allerdings reagiertendie Autobauer schnell, erzählt Experte Schollenberger. «So kambereits 1937 der Autobahn-Adler der Frankfurter Firma Adler auf denMarkt. Da verrät ja der Name schon alles.»

Die Dimension der Planungen mutet in Anbetracht der Fahrzeugdichtemerkwürdig an. So besaß 1937 im Schnitt jeder 50. Deutsche ein Auto.Auch die Streckenführung, die auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegtwar, sorgte für Staunen. Die Zeitschrift «Motor und Sport» schrieb1933: «In zehn Jahren werden Reisegeschwindigkeiten von 180 km/hnicht mehr ungewöhnlich sein! Da steht man davor wie aufs Maulgeschlagen. 180 Sachen -? Mensch - -!»

Die Vermutung, die Autobahnen sollten vor allem als Nachschubwegefür die Kriegsmaschinerie dienen, halten Historiker für nichtstichhaltig. Diese Funktion habe in der Hauptsache die Reichsbahnübernommen. Dennoch spielten die breiten Straßen eine entscheidendeRolle im Krieg - jedoch anders als Hitler dies vorhersah: DieAlliierten konnten darauf schneller in Deutschland einrücken.

Das selbst gesteckte Ziel von mehr als 7000 Autobahn-Kilometernhaben die Nazis trotz des massiven Einsatzes von Zwangsarbeiternnicht erreicht. Bei Kriegsende waren rund 3900 Kilometer fertiggestellt, davon 2200 Kilometer im Bereich der späterenBundesrepublik. Die Hafraba-Strecke war unvollständig geblieben. Erst1962 konnte das erste Auto auf direktem Wege von Hamburg nach Baselfahren. Heute umfasst das deutsche Autobahnnetz rund 12 500Kilometer.