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SPD-Präsidiumssitzung SPD-Präsidiumssitzung: Andrea Nahles die Figur der Stunde

Von Tobias Peter 13.02.2018, 14:57
Die designierte SPD-Parteichefin: Andrea Nahles
Die designierte SPD-Parteichefin: Andrea Nahles dpa

Berlin - „Stricken.“ Das war die lakonische Antwort von Andrea Nahles, was sie als SPD-Vorsitzende besser könnte als Martin Schulz. Das war am Mittwoch vor einer Woche – nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD. Schulz kündigte zu diesem Zeitpunkt an, er wolle Minister werden und wünsche sich Nahles bald als Parteichefin.

Seitdem hat sich bei der SPD in wenigen Tagen schon wieder mehr ereignet als in anderen Parteien in Jahren. Viele Mitglieder reagierten entsetzt auf den Plan von Martin Schulz, Außenminister zu werden – obwohl dieser doch nach der Wahl gesagt hatte, nicht in ein Kabinett von Angela Merkel zu gehen. Schulz zog auf innerparteilichen Druck hin seine Ambitionen zurück. Am Wochenende wurde der Plan bekannt, dass nun Nahles so schnell wie möglich Vorsitzende werden sollte.

SPD-Präsidium sitzt zusammen

Am späten Dienstagnachmittag wollte sich das SPD-Präsidium zusammensetzen, um zu beraten, wie es weitergehen soll. Der Plan von Nahles und ihren Unterstützern: Sie sollte den Parteivorsitz sofort übernehmen – kommissarisch. So könne die SPD in dieser chaotischen Phase am besten stabilisiert werden, hieß es in Parteikreisen. Eine Vorsitzenden-Wahl durch den Parteitag müsste dann innerhalb von drei Monaten erfolgen. Nahles, so wurde weiter argumentiert, sei doch ohnehin die Figur der Stunde.

Doch es gab auch Widerstand gegen eine vorzeitige Übernahme des Parteivorsitzes. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen verwies darauf, ein kommissarisch geführter Vorsitz sei in der Satzung nicht vorgesehen. Die Landesverbände Schleswig-Holstein und Berlin stellten sich gegen eine sofortige Übernahme des Parteivorsitzes – um den Eindruck von Klüngelei zu vermeiden, wie sie argumentierten.

SPD-Landesverband in Berlin begrüße Nahles Kandidatur

Der SPD-Landesverband in Berlin begrüße eine mögliche Kandidatur von Andrea Nahles als Parteivorsitzende, hieß es seitens des Vorstandes. Angemahnt wurde aber ein geordnetes Verfahren. Eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter solle das Amt zum Übergang von Schulz übernehmen, bis Nahles auf einem Parteitag als Vorsitzende gewählt werden könne.

Unabhängig vom Streit über den kommissarischen Vorsitz liegen vor Nahles zahlreiche Probleme. Darunter weit größere als jenes, dass die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange überraschend angekündigt hat, auch für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen – als „Basiskandidatur“, die den Mitgliedern eine Stimme geben solle.

Nahles soll die Mitglieder überzeugen

Die wichtigste Baustelle für die gesamte SPD-Führung ist der Mitgliederentscheid, der vom 20. Februar bis zum 2. März läuft. Insbesondere Nahles soll die Mitglieder auf Regionalkonferenzen davon überzeugen, dem Koalitionsvertrag mit CDU und CSU zustimmen. Im Fall eines Neins sind rasche Neuwahlen wahrscheinlich – angesichts von Umfragewerten von derzeit 16,5 Prozent gefährliche Aussichten für die SPD. Und: Wer könnte dann noch die Partei glaubwürdig in solche Wahlen führen könnte? Die gesamte Parteispitze wirbt ja für die große Koalition.

Nahles hat mit einer furiosen Rede auf dem Sonderparteitag in Bonn gezeigt, dass sie kämpfen und überzeugen kann. Doch dort wurde auch einmal mehr überdeutlich: Der Widerwillen dagegen, die CDU-Chefin Angela Merkel noch einmal zur Kanzlerin zu wählen, ist in der SPD stark ausgeprägt. Viele Abgeordnete sagen zwar: Die meisten Parteimitglieder sehen das weniger eng als Delegierte und Funktionäre aus der mittleren Ebene der Partei. Doch auch der fleißigste Abgeordnete aus einer einigermaßen starken Parteigliederung kann die meisten Mitglieder gar nicht kennen. Das Ergebnis lässt sich nicht kalkulieren.

Schwierige Debatte über den Koalitionsvertrag

Zudem wird Nahles darum kämpfen müssen, dass die ohnehin schwierige Debatte über den Koalitionsvertrag nicht komplett von Personalfragen überlagert wird. Die CDU will ihre Minister zum Sonderparteitag am 26. Februar bekannt geben. Die SPD will bis nach dem Mitgliedervotum warten. Darin liegt Zündstoff.

Das gilt vor allem für den Posten des Außenministers. Andrea Nahles und ihre Unterstützer stehen vor einem Dilemma: Es gibt mit Sigmar Gabriel einen qualifizierten Amtsinhaber, der beste Umfragewerte hat. Ihm das Amt zu verwehren, wäre öffentlich und in Teilen der Partei schwierig zu vermitteln. Doch Gabriel, unter dem Nahles in ihrer Zeit als Generalsekretärin schwer gelitten hat, ist für Querschüsse bekannt. Mit dem unberechenbaren Ex-Vorsitzenden im Außenamt gäbe es ein weiteres Machtzentrum in der Partei: eine Konstellation, die ins Chaos führen kann.