Sonderschicht Sonderschicht: Vor 55 Jahren sorgte Adolf Hennecke für Aufsehen

Oelsnitz/dpa. - Viele Details der «Hochleistungsschicht» des Bergmanns Adolf Hennecke am 13. Oktober 1948 sind bekannt: Der altgediente und erfahrene Steiger fuhr an jenem Herbsttag im Neuoelsnitzer «Karl-Liebknecht-Schacht» des Steinkohlenwerkes Oelsnitz (Kreis Stollberg) genau 616 Meter in die Tiefe und legte ein wahre Meisterleistung hin. Mit 387 Prozent hatte der 43-Jährige die damals gültige Norm mehr als übererfüllt und sich damit vor allem Feinde als Normbrecher gemacht.
Gemeinsam mit der Zittauer Weberin Frida Hockauf avancierte Adolf Hennecke in der ein Jahr später gegründeten Deutschen Demokratischen Republik zu den Vorreitern der Aktivistenbewegung. Beide wurden von den Mächtigen des Arbeiter- und Bauernstaates bis zu dessen Ende 1989 als Vorbilder für die herausragenden Leistungen der sozialistischen Werktätigen gehandelt. «Dabei hat vor 55 Jahren alles eher harmlos und unpolitisch begonnen», ist der 81-jährige Rolf Vogel überzeugt.
Der spätere Direktor des Steinkohlenwerkes studierte damals in Freiberg und erlebte den Trubel um Henneckes Schicht mit. Die SED- Spitze in Berlin hatte damit zunächst gar nichts zu tun, erinnert sich Vogel. «Die Idee für die Sonderschicht entstand vor Ort bei der damaligen Revierdirektion, angeregt von sowjetischen Zeitungsredakteuren in der Ostzone», hat der pensionierte Bergbauingenieur recherchiert. Hennecke musste mit Mühe zu dieser Schicht überredet werden, ein vorher ausgewählter Bergmann in einem Zwickauer Schacht hatte abgelehnt.
Der im westfälischen Meggen geborene und 1974 in Ost-Berlin gestorbene Hennecke war seinerzeit schon Arbeitsinstrukteur und leitete die jungen Bergleute an. Schon lange vor dem 13. Oktober 1948 schaffte er ohne Aufsehen immer wieder Normerfüllungen von 160 Prozent. Der Steinkohlenbergbau im Revier Zwickau-Oelsnitz litt damals vor allem an Unerfahrenheit der Bergleute. Lang gediente Hauer und Steiger waren von der Sowjetisch- Deutschen Aktiengesellschaft Wismut mit Zulagen und Deputaten längst in die nahen Uranschächte um Schlema und Johanngeorgenstadt gelockt worden. In den Steinkohlengruben wurde mit maroder Technik mehr schlecht als recht geschuftet.
«Vor allem die Fördertechnik zum Abtransport der Kohle fiel permanent aus, so dass die Bergleute immer wieder Zwangspausen einlegen mussten», weiß Rolf Vogel, der sich seit der Wende der sächsischen Bergbautradition widmet. Zu Henneckes legendärer Schicht war freilich alles bestens vorbereitet: Der Bergmann suchte sich ein geeignetes Flöz aus, die Technik funktionierte einwandfrei. «Die Behauptung, dass andere Bergleute für Hennecke die Kohle vorher gelockert hatten, damit er sie nur noch wegschaufeln musste, ist aber nur eine Legende.»
Erst Tage nach seiner Meisterleistung ermächtigte sich die SED in Berlin der Leistung Henneckes und stellte sie unter die umstrittene Losung: «Erst besser arbeiten, dann besser leben.» Die von Krieg und Nachkriegszeit gezeichneten Arbeiter wollten natürlich «erst besser leben und dann besser arbeiten.» Dass Henneckes Leistung nur relativ gut war, beweisen Bergmänner, die im November 1948 die Norm mit über 500 Prozent erfüllten.
Nachdem sich Vorreiter Hennecke von der Politik einspannen ließ und nach Berlin ging, wuchs die Zahl seiner Feinde. In seinem Haus in Lugau gingen Scheiben zu Bruch, an seinem späteren Dienstwagen machten sich Reifenstecher zu schaffen. «Rund um Hennecke gibt es noch viel zu erforschen», sagt Andrea Riedel, Leiterin des Bergbaumuseums in Oelsnitz: «Wir behandeln Adolf Hennecke noch weitestgehend mit dem Erkenntnisstand aus der DDR».
Im Museum selbst wird das Kapitel «Adolf Hennecke» bis zum kommenden Jahr völlig neu gestaltet, die Darstellungen aus sozialistischen Tagen dabei relativiert. «Keinesfalls werden wir aber Hennecke aus unserem Museum verbannen», sagt die Historikerin Riedel. Dessen Geschichte würde auch nach 55 Jahren noch genügend Stoff für eine Doktorarbeit bieten.