Silvester 2001 im «Adlon» Silvester 2001 im «Adlon»: Finanzministerium drängt Ernst Welteke zum Abgang

Frankfurt/Main/dpa. - Der nach einer siebenstündigen Krisensitzung in Frankfurt gefassteBeschluss des Bundesbank-Vorstandes trage dem Ziel nicht Rechnung,das hohe Ansehen der Institution zu bewahren. Die Bundesregierunggehe davon aus, dass der Bundesbank-Präsident «in seinerVerantwortung vor dem Amt und der Institution Bundesbank dienotwendigen Konsequenzen ziehen wird», teilte das Ministerium mit.Amt wie Institution müssten vor weiterem Schaden bewahrt werden. Dasgebiete ihre Stellung gegenüber den Finanzmärkten als auch dieMitgliedschaft im Rat der Europäischen Zentralbank.
Der Bundesbank-Vorstand hatte zuvor Welteke empfohlen, seineAmtsgeschäfte ruhen zu lassen. Einen hinreichenden Grund für eineAbberufung gebe es jedoch nicht, teilte das Gremium mit. Entlassenwerden könne der Präsident einer nationalen Notenbank nur, wenn ereine «schwere Verfehlung» begangen habe, entschieden Weltekes siebenVorstandskollegen. Bundesbank-Vize Jürgen Stark (55) soll Welteke nunim EZB-Rat vertreten.
Die Empfehlung an Welteke, sein Amt ruhen zu lassen, sei mit Blickauf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen desAnfangsverdachts auf Vorteilsannahme ausgesprochen worden, hieß es.Bei der Krisensitzung wurde Welteke als Vorsitzender des Gremiumsauch selbst angehört. Welteke hatte am Nachmittag im ZDF noch gesagt,er halte an seinem Posten fest. Wenn jedoch der Vorstand Verfehlungenfeststelle und ihn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaftbelasteten, «dann muss man natürlich über Rücktritt nachdenken».
Die Bundesregierung hatte sich bereits auf die Berufung einesNachfolgers eingestellt und dafür den Staatssekretär imBundesfinanzministerium, Caio Koch-Weser (59), in Betracht gezogen.Finanzminister Hans Eichel (SPD) hat in dem Verfahren vonKabinettsseite die Federführung. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)sei an seinem italienischen Urlaubsort «über die aktuelle Entwicklungstets unterrichtet», sagte der stellvertretende RegierungssprecherThomas Steg. Die Bundesregierung hat bei einer Neubesetzung desPostens das Vorschlagsrecht.
Welteke hatte sich und seiner Familie die Kosten von 7660 Euro fürdie Unterbringung im Berliner Luxushotel Adlon zur Jahreswende derEuro-Bargeldeinführung 2001/2002 von der Dresdner Bank bezahlenlassen. Am Montag beglich der 61-Jährige die Rechnung nachträglichzum Teil selbst, für den «dienstlichen Teil» kam sein Arbeitgeberauf. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen die FrankfurterGroßbank wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung.
Die Bundesbank dementierte am Mittwoch einen Bericht über eineweitere bezahlte Reise. Laut «Bild»-Zeitung (Mittwochausgabe) hattesich Welteke nach einem Wiener Opernball von einer Bank zu einemmehrtägigen Aufenthalt einladen lassen. Dies sei «falsch», sagte einSprecher. Die Einladung der Österreichischen Nationalbank habe nurfür den Opernball gegolten, es sei kein Urlaub bezahlt worden.Notenbank-Chef Klaus Liebscher meinte, die Einladung sei eine«normale Geschichte» zur Kontaktpflege zwischen Kollegen gewesen.
Welteke ist kein Beamter, sein bis 2007 laufender Vertrag wurdeindividuell mit dem Vorstand abgeschlossen. Einen Aufsichtsrat hatdie Bundesbank nicht. Grundlage für die Empfehlung des Vorstandsseien sein Anstellungsvertrag, das Bundesbankgesetz und die Statuendes europäischen Zentralbanksystems gewesen.

