1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Außenministertreffen: Sigmar Gabriel: Zusammenarbeit mit Türkei wieder stärken

Außenministertreffen Sigmar Gabriel: Zusammenarbeit mit Türkei wieder stärken

Von Damir Fras 06.01.2018, 11:18
Gabriel und Cavusoglu wurden von vielen Deutsch-Türken empfangen.
Gabriel und Cavusoglu wurden von vielen Deutsch-Türken empfangen. AFP

Goslar - Das Versöhnungsspektakel geht ja gut los. Die Kameraleute haben sich postiert, die Mikrofone für die beiden Außenminister auch. Da wird es plötzlich hektisch im großen Saal der Kaiserpfalz in Goslar, und die Kameraleute müssen ein paar Meter weiterziehen, wo die Mikrofone zwischenzeitlich aufgestellt wurden. Es ist nicht klar, wem es aufgefallen ist, aber jemandem ist es wenigstens noch rechtzeitig aufgefallen.

Die beiden Minister hätten beinahe vor einem Wandgemälde gestanden, das Kaiser Barbarossa zeigt, der hoch zu Ross mit seinen Kreuzfahrern im Jahr 1190 die muslimischen Seldschuken bei Ikonium besiegt, dem heutigen Konya in der Türkei. Das wäre vielleicht nicht der beste Hintergrund gewesen für das Polit-Gekuschel von Sigmar Gabriel mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu in Gabriels Heimatstadt Goslar.

Betonte Freundlichkeit zwischen den Ministern

Aber es ist ja noch rechtzeitig aufgefallen. So stehen Gabriel und Cavusoglu am Samstag in der Kaiserpfalz vor unverdächtigem Hintergrund und geben sich alle Mühe, sich gegenseitig zu versichern, dass Dialog der beste Weg sei, um die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei abzubauen. Gabriel nennt Cavusoglu einen Freund, Cavusoglu nennt Gabriel einen Freund – die Szenerie wirkt ein wenig, als würden sich da zwei Minister treffen, die – abgesehen von vielleicht einer Meinungsverschiedenheit wegen eines unbedeutenden Details – keine Probleme miteinander haben. Das ist natürlich gewollt.

In Wirklichkeit ist das Verhältnis zwischen den Regierungen in Berlin und Ankara Anfang des Jahres 2018 nur ein klein bisschen besser als im vergangenen Jahr, das ein Krisenjahr war. Weil der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nach dem Putschversuch vom Sommer 2016 Tausende seiner Landsleute ins Gefängnis steckte und auch etliche Deutsche in Haft genommen wurden, verschärfte die Bundesregierung ihre Reisehinweise für die Türkei, blockierte die Ausweitung der Zollunion zwischen dem Land und der EU und ließ einige Rüstungsgeschäfte auf Eis legen. Die Türkei bediente sich zeitweilig Nazi-Vergleichen, deutsche Politiker sprachen von Geiselnahme.

Das legte sich erst im Herbst. Erst wurde der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner aus türkischer Haft entlassen, kurz vor Weihnachten kamen die Journalistin Mesale Tolu und der Pädagoge David Britsch frei. Doch noch sitzen sieben deutsche Staatsbürger in der Türkei im Gefängnis. Unter ihnen ist der Korrespondent der Zeitung Die Welt, Deniz Yücel, der seit zehn Monaten in Haft ist, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben worden wäre. Die Bundesregierung vermutet, dass die Vorwürfe gegen die Gefangenen politisch motiviert sind. Die türkische Regierung wirft den Deutschen vor, Terrorgruppen unterstützt zu haben.

„Wir haben mehr an Gemeinsamkeiten, als uns manchmal bewusst ist.“

Immerhin ist seit einigen Tagen so etwas wie eine regelrechte Charmeoffensive auszumachen. Mevlüt Cavusoglu, Erdogans Mann für Auswärtiges, hat erst in einem Interview und dann in einem Zeitungsbeitrag erklärt, er wolle das zerrüttete Verhältnis seines Landes zu Deutschland wieder verbessern. So hält es Cavusoglu auch im großen Saal der Kaiserpfalz zu Goslar. Er spricht viel von gemeinsamen Anstrengungen, die Probleme und Meinungsverschiedenheiten zu lösen. Und sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel retourniert lächelnd: „Wir haben mehr an Gemeinsamkeiten, als uns manchmal bewusst ist.“ Es gelte nun „in Offenheit und in gegenseitigem Respekt unseren Dialog fortzusetzen – auf Augenhöhe “.

Gabriel und Cavusoglu bemühen sich nach Kräften, Harmonie zu verströmen. Den Fall Yücel erwähnen sie nur am Rande. Gabriel sagt auf Nachfrage, er habe darüber mit Cavusoglu am Morgen gesprochen, als der türkische Außenminister bei ihm zu Hause in der Nähe von Goslar zu Gast gewesen ist. Details nennt er allerdings nicht. Und die türkische Regierungsseite betont ohnehin regelmäßig, die Sache liege in den Händen der türkischen Justiz, die unabhängig sei.

Obwohl es also weiter Spannungen gibt, soll nun trotzdem die Zusammenarbeit zwischen beiden Regierungen wieder in den Vordergrund rücken – allerdings auf relativ unspektakulärer Ebene. Gabriel sagt, er sei sich mit seinem Kollegen einig, dass sowohl die gemeinsame Kommission von Vertretern beider Wirtschaftsministerien wieder tagen, als auch der strategische Dialog zwischen den Außenministerien in Berlin und Ankara wiederaufgenommen werden solle. Beide Gesprächsrunden sind seit vielen Monaten verstummt. Gabriel will auch prüfen, ob die türkische Armee deutsche Minenschutzausrüstung erhalten soll.

Gabriel dementiert Quid-pro-Quo-Angebot im Fall Yücel

Dem Vernehmen nach blitzt Cavusoglu allerdings bei Gabriel ab, als er um deutsche Unterstützung für den Wunsch der türkischen Regierung bittet, die Zollunion mit der EU auszubauen. Und auch auf Rüstungslieferungen aus deutscher Fabrikation muss die Türkei offenbar weiter warten. Gabriel jedenfalls widerspricht Berichten, wonach er die Wiederaufnahme von Rüstungsexporten in die Türkei von einer Lösung des Falls Yücel abhängig gemacht habe. „Ich habe keinesfalls die beiden Dinge miteinander verbunden“, sagt der frühere SPD-Chef in Goslar.

Zuvor hat Gabriel dem „Spiegel“ ein Interview gegeben und darin erklärt, dass die Türkei ein Nato-Partner und ein Partner im Kampf gegen die Terrormiliz IS sei. Eigentlich seien das beides Gründe, um gegenüber der Türkei keine Restriktionen im Rüstungsgeschäft zu haben: „Trotzdem hat die Bundesregierung eine sehr große Anzahl von Rüstungsexporten nicht genehmigt. Dabei wird es auch bleiben, mindestens so lange der Fall Yücel nicht gelöst ist.“ Das haben viele in Berlin als eine Art Quid-pro-Quo-Angebot Gabriels an die Türken verstanden. Nicht so Gabriel.

Der macht nach seinem Auftritt vor den Kameras mit seinem türkischen Kollegen noch einen Rundgang durch die pittoreske Altstadt von Goslar. Es geht vorbei an viel Fachwerk und an drei bis vier Dutzend Anhängern Erdogans. Sie schwenken türkische Fahnen und jubeln Cavusoglu zu. Ihnen gegenüber steht auf der Wiese vor der Kaiserpfalz ein kleines Grüppchen von Demonstranten, die auf ihren Plakaten die Freilassung aller politischen Gefangenen in der Türkei fordern. Die beiden Gruppen kommen sich nicht näher, dafür sorgt die Polizei. Nichts soll an diesem Tag die zarte Harmonie stören.