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Sie fressen, fressen, fressen Sie fressen, fressen, fressen: Millionen Schwammspinner-Raupen fallen über Bäume her

Von Jessica Schantin und Walter Zöller 20.06.2019, 10:00
Zwenkau: Die Raupe des Schwammspinners fällt über das Blatt an einer Roteiche her.
Zwenkau: Die Raupe des Schwammspinners fällt über das Blatt an einer Roteiche her. dpa

Halle (Saale) - Überall das gleiche Bild: Egal ob in Gunzenhausen in Bayern, im Geraer Stadtteil Liebschwitz oder auf einer rund 20 Hektar großen Fläche am Cospudener See bei Leipzig: Millionen von Schwammspinner-Raupen fressen dort derzeit die Bäume kahl. Sie haben sich explosionsartig vermehrt und werden für die in den Gebieten wohnenden Menschen zur Plage. Einige sammeln die Tiere - so gut es geht - mit Besen ein. Andere nehmen den Staubsauger. In Gunzenhausen haben sich sogar die Stadträte das Dilemma vor Ort angeschaut. Und dabei erlebt, wie die Tiere an ihren Beinen hochkrochen.

Die MZ erklärt, ob die Raupen gefährlich sind und ob man etwas gegen einen Befall tun kann.

Wie erkennt man den Schwammspinner?

Der Schwammspinner ist ein unauffällig gefärbter Schmetterling aus der Familie der Trägspinner. Die Weibchen sind mit einer Flügelspannweite von fünf bis acht Zentimetern deutlich größer als die Männchen, die nur eine Flügelspannweite von 3,5 bis fünf Zentimetern aufweisen. Die Grundfärbung der Flügel reicht von cremeweiß bis gelblich-weißlich. Die Männchen haben in der Regel grau-braune Flügel mit schwarzen Querstreifen. Die frisch geschlüpften Schwammspinner-Raupen sind schwarz mit langer Behaarung. Die älteren Raupen sind an ihren Warzen auf dem Rücken zu erkennen.

Ab dem dritten Larvenstadium entwickeln die Raupen des Schwammspinners Brennhaare, die beim Menschen allergische Reaktionen auslösen können. Die weiblichen Raupen erreichen eine Länge von sechs bis acht Zentimetern. Die männlichen Raupen bleiben mit vier bis fünf Zentimetern deutlich kleiner.

Wo kommen die Schwammspinner vor?

Der Schadschmetterling tritt häufig an Alleebäumen, in stadtnahen Wäldern oder in Parks auf. Eine trockene und warme Witterung in den Monaten April bis Juni begünstigt die Entwicklung des Schwammspinners, so das Institut für Schädlingskunde in Reinheim. Die Schwammspinner-Raupen gedeihen an zahlreichen Wirtspflanzenarten. Bevorzugte Futterpflanzen sind Stieleiche, Traubeneiche, Roteiche, Hainbuche, Rotbuche und Esskastanie. Auch vor Obstbäumen und verschiedenen anderen Laubbäumen machen die Raupen nicht Halt. Bei starkem Befall können die Bäume komplett kahl gefressen werden.

Die Flugzeit des Schwammspinners liegt in Mitteleuropa in der Regel zwischen Juli und Ende September. Die weiblichen Schwammspinner werden meist noch an dem Tag begattet, an dem sie aus der Puppenhülle geschlüpft sind. Nur wenige Stunden nach der Paarung legen die Weibchen zwischen 100 und 1 000 Eier in einem einzelnen Eigelege bevorzugt auf der Südseite von starken Ästen ab. Dann werden die Gelege der Eier mit der sogenannten Afterwolle (gelbbraun bis braun) getarnt. Die Eiablage dauert circa eine Woche. Danach stirbt das Weibchen. Die Eientwicklung beginnt direkt im Anschluss an die Eiablage und ist bereits nach drei bis vier Wochen abgeschlossen.

Ist die Raupeninvasion ungewöhnlich?

Im Grunde nicht, sagt der Biologe Martin Wiemers vom Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut Müncheberg in Brandenburg. Eine zyklische Massenvermehrung komme immer wieder vor. Die Raupen werden in den kommenden Tagen verpuppen, sagt Renke Cordes vom Staatsbetrieb Sachsenforst.

Wie gefährlich ist der Schwammspinner für Mensch und Wälder?

Laut der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ist der Schwammspinner mehr als nur ein Forstschädling. Bei seinem Auftreten könne er nicht nur große Teile von Waldflächen schädigen, sondern stelle auch ein Problem für den Menschen dar.

Eine Raupenplage kann zu einer regelrechten Belästigung werden. Die hyperaktiven Tiere breiten sich auf der Suche nach Nahrung auch in Privatgärten aus und machen vor offenen Türen und Fenstern nicht Halt. Wenn empfindliche Menschen mit den Raupenhaaren in Berührung kommen, kann es zu starken Hautreizungen, allergischen Reaktionen und sogar Atemnot kommen.

Gibt es natürliche Feinde des Schwammspinners?

Ja. Sie können laut Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft oftmals dazu beitragen, dass eine Massenvermehrung auf natürliche Weise zu Ende geht. Natürliche Feinde sind: Brackwespen, Raupenfliegen, Große Puppenräuber, Baumwanzen, Ameisen, Weichkäfer, Eidechsen, Vögel oder Mäuse. Natürliche Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder Pilze können ebenfalls für eine natürlich Regulation sorgen. Biologe Wiemers weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Schwammspinner es in einer intakten Fauna schwerer haben, sich auszubreiten - weil es dort genügend natürlich Feinde gibt.

Wie können Schwammspinner bekämpft werden?

Da gehen die Ansichten auseinander. Nach Angaben des Instituts für Schädlingskunde in Reinheim können gegen den Schwammspinner verschiedene Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Eines der Präparate sei Dipel ES. Es sei weder für den Anwender, noch für die Umwelt schädlich, da es sich um ein natürliches Insektizid handele. Es wirkt sehr selektiv auf bestimmte Schadorganismen, so Schädlings-Experte Martin Felke.

Biologe Wiemers rät dagegen bis aus wenige Ausnahmefälle vom Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln ab, da immer auch andere Tiere davon betroffen wären - zum Beispiel die natürlichen Feinde der Raupe. Eine Ausnahme könnte etwa ein mit Schädlingen befallender Baum sein, der direkt am Fester eines Kindergartens steht. Die meisten Bäume würden sich im Übrigen in aller Regel von dem Befall erholen.

Hat die Schwammspinner-Plage mit dem Klimawandel zu tun?

Die Tiere mögen es warm und trocken im Frühsommer. Sie mögen also jene klimatischen Bedingungen, wie wir sie sehr wahrscheinlich durch den Klimawandel zunehmend erleben werden. Fertig entwickelte Jungraupen überwintern nach Angaben von Fachleuten in den Eigelegen und sind gegenüber Kälte weitgehend unempfindlich.

Was unterscheidet Eichenprozessionsspinner und Schwammspinner?

Der Eichenprozessionsspinner hat es ausschließlich auf Eichen abgesehen. Der Schwammspinner kann sich von rund 400 Futterpflanzenarten ernähren. Für den Menschen sind beide Raupen gefährlich. Da sie durch ihre Brennhaare Nesselgifte erzeugen, die allergische Reaktionen auslösen können.

Die Reaktionen auf die Brennhaare der Eichenprozessionsspinner können aber bei durch Krankheit vorbelasteten Personen, Kindern und älteren Menschen massive gesundheitliche Reaktionen auslösen. Besonders prekär ist dabei die langanhaltende Wirkung der sogenannten Brennhaare. Auch nach einigen Jahren können sie ihre giftige Wirkung entfalten und großen Schaden anrichten.

Auch die Eigelege des Schwammspinners, die mit Haaren der Weibchen zum Schutz überzogen sind, sollten nicht mit bloßen Händen berührt werden, so Martin Felke vom Institut für Schädlingskunde. (mz)

Die Raupe des Schwammspinners (Lymantria dispar) auf dem Rest eines Blattes einer Roteiche.
Die Raupe des Schwammspinners (Lymantria dispar) auf dem Rest eines Blattes einer Roteiche.
dpa-Zentralbild
Raupen haben Roteichen in einem Wald am Cospudener See südlich von Leipzig heimgesucht. 
Raupen haben Roteichen in einem Wald am Cospudener See südlich von Leipzig heimgesucht. 
dpa
Gunzenhausen: Zahlreiche Schwammspinner sitzen auf einem Holz-Geländer.
Gunzenhausen: Zahlreiche Schwammspinner sitzen auf einem Holz-Geländer.
dpa
Gunzenhausen: Zahlreiche Schwammspinner sitzen auf einem Holz-Geländer.
Gunzenhausen: Zahlreiche Schwammspinner sitzen auf einem Holz-Geländer.
dpa
Gera: Eine Frau kehrt mit einem Besen im Ortsteil Liebschwitz Schwammspinner zusammen.
Gera: Eine Frau kehrt mit einem Besen im Ortsteil Liebschwitz Schwammspinner zusammen.
dpa