Serbien-Montenegro Serbien-Montenegro: Soldaten sollen Verpflegung in die Kaserne mitbringen

Belgrad/dpa. - Die einstige jugoslawische Armee galt bis in die 80er Jahre als eine der stärksten und am besten ausgerüsteten Militärverbände Europas. Die Rüstungsindustrie nahm allein mit veröffentlichten Exporten zwei Milliarden Dollar ein, von den geheimen Projekten für Libyens Revolutionsführer Muammar el Gaddafi oder Iraks Diktator Saddam Hussein ganz zu schweigen. Doch nach immerneuen Niederlagen in den Bürgerkriegen (1991-1999), westlichenHandelssanktionen und dem Verfall der Wirtschaft sind die Restedieser Armee im Nachfolgestaat Serbien-Montenegro nur noch einSchatten vergangener Größe.
Die Armee ist so verschuldet, dass sie oft nicht einmal mehr dasEssen ihrer Soldaten bezahlen kann. Sie werden über das Wochenende zuihren Eltern geschickt und angehalten, für die nächste WocheVerpflegung mit in die Kasernen zu bringen. Weil sich die Rekrutenerschreckt abwenden, verfügen die Einheiten bei weitem nicht überihre Soll-Stärke. Noch schlimmer: In seiner Einheit seien 25 Prozentder Soldaten krank und nicht mal im Stande, Streife zu laufen, klagteder Kommandeur der 549. Brigade, Miodrag Djurovic. Weitere 30 Prozentseien unzuverlässig, weil sie entweder regelmäßig Drogen nähmen oderbereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien.
Im letzten Jahr ist es zu einer Vielzahl ungeklärter Todesfällegekommen. Mal war von Selbstmord die Rede, mal soll ein betrunkenerVorgesetzer seinen Schützling getötet haben, mal wurde von Mordgesprochen, weil zwei Soldaten angeblich einen gesuchtenKriegsverbrecher auf dem Kasernengelände entdeckt hatten. Vor allemim Landesinneren kann man das veraltete Kriegsgerät in jämmerlichemZustand in Augenschein nehmen. Die Luftwaffe hat ohne Konsequenzendarauf hingewiesen, dass die Piloten wegen Kerosinmangels nichttrainieren können. Die Besoldung der Berufssoldaten ist mehr alsbescheiden, viele Beschäftigte haben es auch nach Jahrzehnten Dienstnicht mal zu einer kleinen Wohnung gebracht.
Doch es gibt auch die andere Seite, die in einer Finanzaffäre indieser Woche ans Licht kam. Die Armeeführung habe für 300 MillionenEuro überteuerte Ausrüstung bestellt, sagte Finanzminister MladjanDinkic. Zum Beispiel 69 000 Stahlhelme und 60 000 kugelsichere Westen- allerdings für nur 28 000 Soldaten. Und das, obwohl zwischen 1999und 2003 schon einmal Helme und Westen für 50 000 Mann gekauft wordenseien, behauptete ein früherer Mitarbeiter des Lieferanten. Totalüberteuert und schlechte Qualität, schimpfte der Finanzminister undführte als Beispiel die 40 Euro teuren Strümpfe an.
Der Minister brachte auch die fast unglaubliche Geschichte ansLicht, dass die Armee des verarmten Landes einen Spionagesatellitenmieten wollte. Es habe eine Gruppe in der Armeeführung abkassiert,die schon in früheren Jahren korrupte Geschäfte abgewickelt habe,hieß es. Die Armeeführung wollte zunächst mit dem Totschlagargument«Militärgeheimnis» alle unangenehmen Fragen abschmettern. Doch derFinanzminister will den «Raub des Jahrhunderts» aufklären. Zuletztstaunten die Bürger, dass der umstrittene Großlieferant derAusrüstungen nicht nur ehemalige Offiziere unter Vertrag hat undbeste Beziehungen zum Ministerium unterhält. Auch den SerbischenRadikalen soll er als Finanzier der größten Oppositionsparteiverbunden sein, schrieben die Zeitungen.