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Serbien Serbien: 80 000 Menschen trauern in Belgrad um Milosevic

Von Dubravko Kolendic 18.03.2006, 16:54
«Wir haben so gut gelebt mit ihm.» - Anhänger des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic trauern in Belgrad. (Foto: dpa)
«Wir haben so gut gelebt mit ihm.» - Anhänger des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic trauern in Belgrad. (Foto: dpa) EPA

Belgrad/dpa. - «Wir haben so gut gelebt mit ihm», sagt eine ältere Frau bei der Trauerfeier für den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic in Belgrad. Wie die anderen der etwa 80 000 Gleichgesinnten, die sich am Samstag in der Innenstadt versammelt haben, trauert auch sie dem Mann nach, der in Den Haag wegen der schwersten nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa verübten Kriegsverbrechen angeklagt war. «Ich hatte 80 Liter Speiseöl und 50 Kilo Zucker in der Vorratskammer, und Serbien war frei.»

«Ich will das letzte Mal meinen Obersten Befehlshaber begrüßen»,sagt ein pensionierter Major, der sich nostalgisch und mit einigen Tränen an die «guten Zeiten» erinnert. Er und seine Frau streiten sich seit langem mit dem 28-jährigen Sohn und 23-jährigen Tochter wegen Milosevic. Die Kinder sind am Samstag wieder nicht mit den Eltern, sondern einige hundert Meter weiter auf einer Anti-Milosevic-Kundgebung, die, zeitgemäß per SMS-Botschaften angekündigt wurde.

«Frühling drei Tage früher - Damit sich Milosevic niemalswiederholt» lautetet die Botschaft auf den Handys. Etwa drei Tausend gut gestimmte Leute ließen Luftballons fliegen und hofften auf eine schönere Zukunft ohne den Geist des Diktators. «Die Welt soll wissen, dass es neben den hartgesonnen Nationalisten auch ein anderes Serbien gibt, dass mit sich und der Welt in Frieden leben möchte», sagt ein Architektur-Student.

Anders war die Stimmung bei den Trauernden vor dem Parlament. Eine etwa 60-jährige Frau ruft «Slobodan-Freiheit» und «Slobodan-Serbien». Das hat sie schon vor 18 Jahren gerufen, bei den ersten Milosevic-Kundgebung. Nun ist der mit Blumen geschmückte geschlossene Sarg Milosevics aufgebahrt auf einer Bühne vor dem ehemaligen Parlamentsgebäude des in blutigen Kriegen in mehrere unabhängigeRepubliken zerfallenen Jugoslawiens.

Als Ehrengarde um den Sarg wechseln sich ehemalige Milosevic-Mitarbeiter ab, Funktionäre seiner Sozialistischen Partei,pensionierte Offiziere in Uniform. Sie alle und die Redner aus dem«brüderlichen» Russland, die gegen das UN-Kriegsverbrechertribunalwettern, werden stürmisch begrüßt. «Russland, Russland», skandiertdie Menge. Tränen bei den Trauernden fließen.

Ein ärmlich gekleideter Mann tägt drei große Farbposter. Daraufstrahlen neben Milosevic die Gesichter zweier weiterer angeklagterKriegsverbrecher, des ehemaligen Serbenführers in Bosnien, RadovanKaradzic und dessen Armeechefs Ratko Mladic. «Wir werden Mladic nieausliefern», schreit der zahnlose Mann. «Die von der NATO gekauftenVerräter, die seit 2000 an der Macht in Serbien sind, haben Angstselbst vor dem toten Milosevic». Die Menge pfeift und buht. In derEhrengarde neben dem Sarg stehen inzwischen einige frühere Offiziereund Geheimdienstfunktionäre, die im Zusammenhang mit dem Djindjic-Mord verhört worden waren.

Geweint wurde auch viel bei der Beerdigung in Pozarevac, derHeimatstadt von Slobodan und seiner Frau Mirjana Markovic. Trauerndeküssten den Sarg und die Schleifen der Trauerkränze. Am Sonntagblieben die Umstände des Begräbnisses in Serbien Gesprächsthema. Dennnicht auf einem Friedhof, sondern im Garten des Familienhauses seinerWitwe und nicht tagsüber, sondern am frühen Abend unterScheinwerferlicht, wurde Milosevic beerdigt. «Wir Serben machen sowas nicht, nur Kanarienvögel werden im Hinterhof verscharrt», sagteeine Frau auf einem Belgrader Bauernmarkt.

Anhänger von Slobodan Milosevic stehen am Sonnabend (18. März) vor dem Parlamentgebäude in Belgrad. (Foto: dpa)
Anhänger von Slobodan Milosevic stehen am Sonnabend (18. März) vor dem Parlamentgebäude in Belgrad. (Foto: dpa)
EPA