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Schulden Schulden: Im Maul vom geschenkten Gaul

Von Steffen Könau 25.06.2010, 15:27

Halle/MZ. - Friedrich Schmidt hatte irgendwann die Nase voll. Wegen "vollendeten Betruges" erstattete der Insolvenzverwalter einer LPG im Norden Sachsen-Anhalts Strafanzeige gegen Bundeskanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel. Beide hätten, so der Jurist, die Schulden der DDR-Betriebe bei der Staatsbank der DDR an westdeutsche Banken verkauft und damit "fiktive Vermögenswerte" kurzerhand zu echten gemacht.

Aus der Strafanzeige ist nie eine Anklage geworden, aus den Buchschulden in DDR-Mark, die DDR-Firmen beim Staat aufnehmen mussten, aber wurde echtes Geld. Im Moment der Währungsunion war die DDR-Wirtschaft schlagartig mit rund 250 Milliarden verschuldet - und das plötzlich nicht mehr in weicher DDR-Mark und bei dem Staat, der ihr die Schulden aufgebürdet hatte. Sondern in harter Währung und bei Gläubigern, die die DDR-Altkredite mit Blick auf die in Aussicht stehende hohe Rendite erworben hatten.

Zudem waren die Ostmark-Guthaben der Bürger durchschnittlich im Verhältnis 1,65:1 in D-Mark gewechselt worden, das Tauschverhältnis der Schulden hingegen betrug 2:1. Die Folge: Eine Bank, die 165 Millionen DDR-Mark Spareinlagen besaß und mit diesem Geld 165 Millionen DDR-Mark an Krediten vergeben hatte, stand nach der Währungsumstellung mit einem Loch in der Bilanz da. Die Bank musste den Sparern zwar statt 165 nur 100 Millionen DM auszahlen; sie selbst aber konnte von ihren Schuldnern nur noch 82,5 statt 100 Millionen D-Mark fordern.

12 500 Euro Schulden pro Kopf jedes DDR-Bürgers waren das zusammen - scheinbar ein geringer Preis dafür, künftig mit harter D-Mark bezahlen zu können. Doch Unternehmen, die ihre Kredite nicht bedienen konnten, weil ihre Erzeugnisse zu D-Mark-Preisen keinen Absatz fanden, machten pleite, Mitarbeiter verloren ihre Jobs, der Steuerzahler musste nun für die Schulden einstehen.

Mitte der 90er Jahre gründete die Bundesregierung den Erblastentilgungsfonds, dessen einzige Aufgabe es ist, die Altlasten der DDR abzutragen. Im vergangenen Jahr schließlich meldete die Bundeskanzlerin stolz Vollzug: Die DDR-Altschulden seien "getilgt" versicherte sie, musste später aber einräumen, dass nur 80 von 250 Milliarden Euro bezahlt und der Rest umgeschuldet wurde.

Doch nicht nur die DDR-Schulden haben die DDR überlebt, sondern auch die DDR-Staatsbank. Kurz vor der Währungsunion wurden der Staatsbank-Tochter Deutsche Kreditbank alle Schuldposten der DDR-Industrie übertragen, später verkaufte die Treuhand die Bank an die landeseigene Bayern LB, die sie bis heute zur erfolgreichsten deutschen Internet-Bank umbaute. Inzwischen hat die DKB rund eine Million Kunden - sogar in Luxemburg.