Sachsen Sachsen: Journalisten-Ausforschung durch Justiz weiter strittig
Dresden/dpa. - Redner aller Fraktionen jenseits derCDU kritisierten fehlende Sensibilität der Justiz beim Umgang mit demim Grundgesetz verbrieften Recht auf Pressefreiheit. Gleichzeitig gabes Kritik an der PDS, der als SED-Nachfolgepartei das Rechtabgesprochen wurde, sich zum Anwalt der Pressefreiheit zu machen.
Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der ChemnitzerStaatsanwaltschaft gegen den inzwischen versetzten Staatsanwalt dersächsischen Antikorruptionseinheit INES, Andreas Ball, unter anderemwegen Geheimnisverrats. Es kam in Gang, nachdem im Mai der Termineiner INES-Razzia beim früheren Wirtschaftsminister Kajo Schommer(CDU) durchgesickert und ein Journalist der «Dresdner Morgenpost» beider Razzia vor Ort war. Auf der Suche nach dem Leck wurden dieTelefondaten des Staatsanwaltes und des Journalisten erhoben.
Justizminister Geert Mackenroth (CDU) verteidigte erneut dieErhebung der Telefondaten. Diese sei bei der unverzichtbaren Suchenach dem Informationsleck notwendig gewesen und durch das Gesetzgedeckt. «Ich finde es bedauerlich, dass die Pressefreiheit durcheine rechtmäßige Maßnahme tangiert werden musste», sagte Mackenroth.Es sei ein Einzelfall, «der hoffentlich ein solcher bleiben und sichnie wiederholen wird.»
SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss nannte dagegen das Vorgehen derStaatsanwaltschaft «aus dem politischen Blickwinkel» falsch. Für ihnstehe außer Frage, «dass es der Staatsanwaltschaft an der gebotenenSensibilität im Umgang mit der verfassungsrechtlich geschützenPressefreiheit gefehlt hat.» Nicht alles, was legal sei, sei auchlegitim. Es mache jedoch keinen Sinn, in der aufgeheizten Phase desWahlkampfes einen derart komplizierten Sachverhalt zu behandeln.
Der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi sprach mit Blick auf dieErmittlungen von einem «Verdacht der parteipolitischenEinflussnahme». Er stelle sich die Frage, ob das «massive Vorgehen»der Ermittler bei dem Verdacht auf Geheimnisverrat in Sachsen üblichsei. «Wohl kaum», so seine Antwort. Auch der FDP-Rechtsexperte JürgenMartens zweifelte wie weitere Redner die Verhältnismäßigkeit derErmittlungen an. Zudem wurde in der Debatte mehrfach die Fragegestellt, weshalb Daten erhoben wurden, obwohl der betroffeneStaatsanwalt - wie Minister Mackenroth nach der Landtagssitzung aufdpa-Anfrage einräumte - ein Gespräch mit dem Journalisten zugegebenhatte.
Die PDS schlug einen Bogen von dem Einzelfall zur Bekämpfung derKorruption in Sachsen. Rechtsexperte Klaus Bartl äußerte dabei dieVermutung, dass mit den Untersuchungen gegen den INES-Staatsanwaltpolitischer Druck auf die Antikorruptionsermittler ausgeübt werdensollte. Er sei überzeugt, dass die Mitarbeiter von INES nach denjetzigen Vorgängen nicht mehr frei ermitteln könnten. INES war 2004gegründet worden und ermittelt derzeit unter anderem wegen einesMillionenbetrugs mit EU-Fördermitteln im einst CDU-geführtenWirtschaftsministerium oder im Fall der Schmiergeldaffäre um denentlassenen MDR-Sportchef Wilfried Mohren.