Rut Brandt Rut Brandt: Willy Brandts zweite Ehefrau ist gestorben
Berlin/dpa. - So kannten die Deutschen sie: charmant und zugleich zurückhaltend - eine Dame. Als «Frau an seiner Seite» erlebte sie Willys langen und und zeitweilig mühsamen politischen Aufstieg mit. Nach der Scheidung 1980 zog Rut sich weiter zurück. Der dänische Journalist Niels Norlund wurde ihr neuer Partner. Später zog das Paar in eine Altenresidenz in Berlin. Zwei Jahre nach ihrem Lebensgefährten starb am Freitag auch Rut Brandt.
Jahrzehnte war Rut im Schatten Willy Brandts gestanden - mit allen Hochs und Tiefs. Doch ihr Auftreten und ihr gewinnendes Lächeln verschafften ihr in der Bevölkerung breite Sympathie, auch über die Scheidung hinaus. 1992 erschien ihr Buch «Freundesland»: Erinnerungen an ein bewegtes Leben vom Arbeiterkind zur First Lady. Ein Kritiker nannte Rut später eine «großherzige Biografin von Willy Brandt».
Geboren wurde sie 1920 als Rut Hansen in Hamar in Norwegen. Mit 16 agitierte gegen die deutsche Besatzung, 1942 floh sie nach Schweden. Nach dem Tod ihres ersten Mannes lernte sie 1944 den deutschen Exil-Journalisten Herbert Frahm kennen. Dessen Deckname: Willy Brandt. 1947 ging sie mit ihm zur norwegischen Militärmission nach Berlin.
Brandt wurde mitten im Kalten Krieg Regierender Bürgermeister von Berlin, stieg später zum Außenminister der großen Koalition auf und wurde 1969 als erster Sozialdemokrat Bundeskanzler. Ruts Charme half Brandt auch bei dessen neuer Ostpolitik - selbst der unzugängliche Kreml-Führer Leonid Breschnew war fasziniert von ihr.
Ruts private Lebensbilanz an der Seite Willy Brandts trug aber auch bittere Züge. In ihren Erinnerungen wurde deutlich, wie wenig der SPD-Politiker seiner Frau und Mutter der drei gemeinsamen Söhne Peter, Lars und Matthias von seinen Beweggründen und Sorgen erzählte.
Warum kniete Willy Brandt 1970 in Warschau vor dem Mahnmal im ehemaligen jüdischen Ghetto nieder? Rut Brandt zuckte mit den Schultern. Nicht anders bei der Spionageaffäre Guillaume, die 1974 Brandts Rücktritt auslöste und andere zum Ausplaudern intimer Einzelheiten aus Willys angeblich außerehelichem Leben veranlasste.
«Ich war gewöhnt, nichts zu hören und auch nichts zu erfahren, wenn ich fragte», notierte Rut Brandt. Ihr jüngster Sohn Matthias verkörperte 2003 in dem TV-Politdrama «Im Schatten der Macht» den Kanzlerreferenten und DDR-Spion Günter Guillaume. Als Willy Brandt am Morgen des 6. Mai 1974 an das Ehebett trat und seiner Frau sagte, er werde zurücktreten, sagte Rut nur: «Das finde ich richtig. Einer muss die Verantwortung auf sich nehmen.» Aus seinem Verhalten schloss Rut Brandt, dass ihr Mann eine andere Reaktion von ihr erwartet hatte.
Seit ihrer Scheidung 1980 habe ihr Mann kein Wort mehr mit ihr gewechselt, bekannte Rut Brandt später. 1983 heiratete Willy Brandt die Journalistin und langjährige Assistentin Brigitte Seebacher. Zum Staatsbegräbnis für den Altkanzler 1992 war Rut nicht mehr erwünscht.
Als am Sonntag Rut Brandts Tod bekannt wurde, schrieb SPD-Chef Kurt Beck, sie sei eine großartige First Lady gewesen und «auch eine kluge Botschafterin ihres Heimatlandes Norwegen.» Rut Brandt habe die Tugenden der europäischen Sozialdemokratie verkörpert. Die Familie wählte als Leitspruch für die Traueranzeige einen Satz des norwegischen Literaturnobelpreisträgers, Dichters, und Politikers Björnstjerne Björnson: «Es gibt Sonne genug, es gibt Acker genug. Hätten wir nur der Liebe genug.»