Russland Russland: Staatstrauer für die Opfer des Geiseldramas von Beslan

Beslan/Moskau/dpa. - Ganz Russland hat am Montag der Geiselopfer von Beslan gedacht. Auf dem neuen Friedhof der kleinen Stadt im Kaukasus gaben tausende Trauernde bei strömendem Regen rund 100 getöteten Geiseln das letzte Geleit. Landesweit herrschte Staatstrauer für die offiziell 335 Opfer des blutigen Geiseldramas, von denen fast ein Drittel bislang nicht identifiziert werdenkonnte. Insgesamt wurden in den Krankenhäusern Russlands am Montag noch 565 Verletzte behandelt, unter ihnen 347 Kinder. Im Kreml in Moskau gedachte der russische Präsident Wladimir Putin der Opfer.
Bei einer zentralen Gedenkfeier, zu der Politiker aus Moskau undSankt Petersburg nach Beslan angereist waren, sprach RusslandsParlamentsvorsitzender Boris Gryslow von «tiefster Trauer». «Durchunser ganzes Land zieht sich eine Frontlinie, eine Frontlinie imKampf gegen den Terrorismus», sagte er. «Wir müssen jetzt alles tun,dass die Hinterbliebenen weiter leben, und dass die Geretteten einnormales, menschenwürdiges Leben führen können.» Russlands Vize-Generalstaatsanwalt Sergej Fridinski erklärte am Montag erneut, dassdie Erstürmung der Schule am vergangenen Freitag «nicht geplant»gewesen sei.
Nach Angaben des Einsatzstabes sind etwa 100 der aus der Schulevon Beslan geborgenen Leichen zum großen Teil bis zurUnkenntlichkeit entstellt. In 60 Fällen könne die Identität nur mitHilfe einer DNA-Analyse festgestellt werden. Die Zahl der Vermisstenwurde von Nord-Ossetiens Gesundheitsminister Alexander Sopliwenkodeutlich nach unten korrigiert. Es gebe «keine Dutzenden oderHunderte, sonder nur noch einzelne Vermisste», sagte er. Die zuletztoffiziell genannte Zahl von rund 190 Vermissten sei eine «vonJournalisten falsch interpretierte Information». Bei der Erstürmungder Schule «Nr. 1» am vergangenen Freitag waren 30 von 32Terroristen getötet worden.
«Es gibt nicht eine Familie in Beslan, und leider auch in ganzOssetien, die nicht einen Toten zu beklagen hat», sagte BorisUrtajew, Bürgermeister der 35 000-Seelen-Stadt. «Heute kommt dieganze Republik zu Trauerfeiern zusammen.» In allen Bezirken derrussischen Teilrepublik wurden Buskonvois zu Sonderfahrten nachBeslan zusammengestellt.
Im Kreml eröffnete Putin eine Sitzung der Regierung mit einerGedenkminute. «Mit der Seele und dem Herzen sind wir heute alle dort- in Nordossetien, in Beslan», sagte Putin. In der Mariä-Himmelfahrtskathedrale im Kreml zelebrierte Patriarch Alexi II., dasOberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, einen Gedenkgottesdienst.«Jeder von uns hat in seinem Herzen den Schmerz und das Leidengefühlt, die das Volk Nordossetiens in Folge dieseshimmelschreienden Terrorakts gegen friedliebende Menschen erlebthat.»
Drei Tage nach der gewaltsamen Erstürmung des Schulgebäudesversorgten Ärzte in den Krankenhäusern Russlands am Montag noch 565Verletzte. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Kinder. Viele Ex-Geiseln mit leichteren Verletzungen waren in den vergangenen Tagennach Hause entlassen worden. Insgesamt hatten die Terroristen, diedie Schule am Mittwoch überfallen hatten, 1180 Menschen in ihrerGewalt gehalten. Auf dem Flughafen der Kaukasus-Stadt trafen amMontag zwei Transportflugzeuge mit Medikamenten und humanitärerHilfe aus den USA ein. Schon am Vortag war ein Hilfsflug aus Italieneingetroffen. Die Bundesregierung und Hilfsorganisationen ausDeutschland kündigten weitere medizinische Hilfe für die Opfer an.
Russische Medien berichteten unter Berufung auf die Aussageneines Tatverdächtigen, unter den insgesamt 32 Geiselnehmern sei esnach dem Überfall auf das Schulgebäudes am vergangenen Mittwoch zueinem tödlichen Streit gekommen. Einige der Terroristen hätten vonihrem Anführer verlangt, die Kinder freizulassen. Daraufhin habejener Anführer einen seiner Gefolgsleute erschossen und dieSprengstoffgürtel am Körper zweier «Schwarzer Witwen» - wie inRussland die Selbstmordattentäterinnen genannt werden -ferngezündet.
Im Rahmen ihrer Ermittlungen zu den Hintergründen der Geiselnahmebestätigten die Sicherheitsbehörden am Montag den «internationalenCharakter» der Gruppe der Geiselnehmer. «Unter ihnen gab es vieleAusländer, Bewohner verschiedener Kaukasus-Republiken und - was amschlimmsten ist - sogar einen Osseten», zitierten die russischenAgenturen einen namentlich nicht genannten Ermittler. Schon wenigeStunde nach der gewaltsamen Erstürmung der Schule durch dieEinsatzkräfte hatte es geheißen, dass unter den 32 Geiselnehmernauch «neun Araber und ein Afrikaner» seien. Zahlreiche befreiteGeiseln sagten dagegen, sie hätten keine Ausländer unter denTerroristen gesehen.

