Religion Religion: Christen in der Arabischen Welt geraten in die Defensive

Kairo/dpa. - Das Kopftuch an französischen Schulen, die Irak-Invasion oder der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen: Jede neue politische oder ideologische Kontroverse zwischen Orient undOkzident treibt die Christen der Arabischen Welt weiter in dieDefensive. Zwar leben die Muslime und die christlichen Minderheitenin den arabischen Staaten im Großen und Ganzen friedlich zusammen.Die Spannungen nehmen jedoch in vielen Ländern zu, weil sichChristen von anderen Arabern manchmal als «fünfte Kolonne desWestens» verdächtigt fühlen.
Dass das Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheit und denrund zehn Millionen Christen - exakte Zahlen gibt es nicht -schlechter geworden ist, liegt einerseits an der islamischenFrömmigkeitswelle, die viele Menschen in den vergangenen 15 Jahrenerfasst hat, und die bei einigen Muslimen zu sinkender Toleranzgegenüber Andersgläubigen geführt hat. Auch die US-Außenpolitik inder Arabischen Welt, die von der überwiegenden Mehrheit der Araber,gleichgültig welcher Konfession, als ungerecht empfunden wird, spielteine Rolle. Vor allem die Tatsache, dass die Bush-Regierung zurRechtfertigung ihrer Ziele gelegentlich religiöse Argumenteverwendet, macht es für die arabischen Christen nicht einfacher.
Ein Beispiel dafür, wie Christen als Sündenböcke für den«christlichen Westen» herhalten müssen, lieferte kürzlich dergewaltsame Protest gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen inLibanon. Nachdem die muslimischen Demonstranten das dänische Konsulatin Brand gesetzt hatten, zogen sie weiter und beschädigten eineKirche.
Daran, dass man ihre arabisch-nationalistische Gesinnunganzweifelt, sind die libanesischen Christen, die nach einemkonfessionellen Proporz das Amt des Staatspräsidenten besetzen, auchnicht völlig unschuldig. Gerade in der älteren Generation findet mannoch Libanesen, die ernsthaft behaupten, sie seien keine Araber,sondern Phönizier.
«Als ich ein Jugendlicher war, lebte meine Familie in Kairo ineiner fast rein muslimischen Nachbarschaft, und wir hatten zu allenNachbarn ein sehr herzliches Verhältnis», erinnert sich derägyptische Mönch Abatir, der heute im Kloster Amba Bschoi im WadiNatrun lebt. «Heute dagegen kommt es vor, dass ich über denLautsprecher auf der Straße höre, wie der Prediger in der Moscheesagt, 'Möge Gott das Haus der Christen einstürzen lassen'», sagt derkoptische Mönch mit dem schwarzen langen Bart zu einem ägyptischenMuslim, der an einem kühlen Frühlingstag das Kloster besichtigt. DieTerrorangriffe der Islamisten auf Kopten und die tödlichenAuseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, die in den 90erJahren Oberägypten erfasst hatten, sind zwar inzwischen Geschichte.Doch kommt es immer wieder zu Feindseligkeiten und Gewalt.
In einigen arabischen Staaten, in denen die christliche Minderheitweit weniger als zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht, beobachtetman zudem gelegentlich, dass Christen auch nicht-demokratischesäkulare Systeme stützen. Sie tun dies, weil sie hoffen, dass diesesie vor einem Aufstieg der Islamisten schützen können.
Was die Religionsfreiheit angeht, so bildet das islamischeKönigreich Saudi-Arabien das Schlusslicht in der Arabischen Welt.Hier, wo sich jedes Jahr Millionen von Muslimen an den HeiligenStätten von Mekka und Medina versammeln, gibt es, wie auch in denanderen arabischen Ölmonarchien, keine einheimischen Christen.Während sich Ausländer, die in diesen Staaten arbeiten,beispielsweise in Katar ungehindert zum Gottesdienst treffen können,so ist es in Saudi-Arabien gesetzlich verboten, eine andere Religionals den Islam öffentlich zu praktizieren. Private Gebetskreise sindzwar theoretisch erlaubt. Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass dieReligionspolizei Christen aus Südostasien, die in Saudi-Arabien alsArbeiter oder Hausangestellte leben, bei derartigen Treffenfestnimmt.