Regierung Regierung: SPD und Grüne besiegeln Koalition

Berlin/dpa. - Mit der Vorstellung der Ministermannschaft und der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne das Fundament für vier weitere Regierungsjahre gelegt. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und die Unterhändler beider Parteien unterzeichneten am Mittwoch in einer feierlichen Zeremonie in der Neuen Nationalgalerie in Berlin das 88- seitige Dokument.
Erst nach einem spannenden Personalpoker war es Schröder in der Nacht zum Mittwoch gelungen, das Ministerium für Bau und Verkehr mit den Kompetenzen für den Aufbau Ost zu besetzen. Ressortchef wird der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe, nachdem der favorisierte Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (beide SPD) endgültig abgewunken hatte. «Sie sehen hier keinen glücklichen Sieger, sondern einen verantwortungsbewussten Preußen, der sich einer neuen Herausforderung stellt», sagte Stolpe, der als einziger Ostdeutscher mit am Kabinettstisch sitzt.
Mit dem Koalitionsvertrag, der höhere Sozialabgaben und Streichungen von Steuerprivilegien vorsieht, soll die Arbeitslosigkeit abgebaut und die Staatsverschuldung bis 2006 auf Null zurückgefahren werden. Union und FDP kündigten einen Tag vor der konstituierenden Sitzung des Bundestags eine harte Opposition an und kritisierten die Abmachungen als «Betrug am Wähler». Nach Ansicht von CDU-Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel steht das neue Kabinett für Rückschritt. «Das werden bittere vier Jahre für unser Land», meinte FDP-Chef Guido Westerwelle. Während die Arbeitgeber ein vernichtendes Urteil über den Koalitionsvertrag fällten, kam dickes Lob von den Gewerkschaften.
SPD und Grünen besiegelten ihr zweites Bündnis dreieinhalb Wochen nach der Bundestagswahl. «Wir haben einen neuen Koalitionsvertrag unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu Stande gebracht», sagte Schröder. Er rief dazu auf, den bei der Flutkatastrophe erlebten Gemeinsinn auch für die Politik anzuwenden. Fischer betonte, Rot-Grün strebe «vier energische Jahre der Erneuerung» an. Er nannte die Überwindung der konjunkturellen Eintrübung und notwendige strukturelle Reformen als die größten Herausforderungen für die Koalition. Deutschland halte auch am EU- Stabilitätspakt fest.
Neben Stolpe sind auch die bayerische SPD-Politikerin Renate Schmidt als Chefin des Familienministeriums und die bisherige Innen- Staatssekretärin Brigitte Zypries (SPD), die das Justizressort übernimmt, neu im Kabinett. An diesem Wochenende müssen die Parteitage von SPD und Grünen die Koalitionsvereinbarung noch billigen. Die Wahl des Kanzlers und die Vereidigung des neuen Kabinetts sind für den kommenden Dienstag geplant. Der neuen Bundesregierung, mit 15 Mitgliedern der kleinsten seit 1949, gehören neben dem Kanzler je sieben Frauen und Männer an.
Die Koalitionsvereinbarung nennt als Schwerpunkte der neuen Legislaturperiode neben der Steuer- und Finanzpolitik die Förderung von Bildung, Familie, Gesundheit und Integration. Schröder betonte, die Koalition werde die Vorschläge der Regierungskommission zur Reform des Arbeitsmarktes unter Vorsitz von VW-Manager Peter Hartz eins zu eins umsetzen. SPD und Grüne wollen im kommenden Jahr in der Arbeitsmarktpolitik rund 6,3 Milliarden Euro einsparen. Vier Milliarden entfallen auf die Bundesanstalt für Arbeit und 2,3 Milliarden auf die Umsetzung der Hartz-Vorschläge.
Der Aufbau Ost soll mit einer längerfristigen Zusicherung von Investitionshilfen und einer gezielten Regionalförderung voran gebracht werden. Für die Staatsdiener ist die Angleichung der Gehälter an Westniveau bis 2007 geplant, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Die Koalition plant in den nächsten vier Jahren auch weitere Reformen im Gesundheitswesen. Von einer großen Gesundheitsreform ist aber in den Vereinbarungen zwischen SPD und Grünen nicht die Rede.


