Rechtschreibung Rechtschreibung: In Büchern steht weiter «daß» und «dass»
Fünf Jahre nach der Rechtschreibreform herrscht bei Verlagen und Medien weiterhin ein chaotisches Durcheinander. «Daß» und «dass» finden sich ebenso wie «Känguruh» und «Känguru». Ob auf Wunsch der Autoren oder aus finanziellen und organisatorischen Gründen: Viele Verlage wechseln selbst innerhalb ihrer eigenen Programme zwischen alter und neuer Rechtschreibung. Einer dpa-Umfrage zufolge kommen Häuser wie Suhrkamp, Rowohlt oder Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv) vor allem im Segment Belletristik dem Geschmack ihrer Autoren entgegen. Schriftsteller wie Günter Grass bevorzugen die alte Schreibweise.
Bei Kinder- und Jugendbüchern, Sachbüchern und Nachschlagewerken hingegen schwören sich die Verlage auf die neue Orthografie ein. Vom 1. August 2005 an sind die neuen Rechtschreibregeln an allen Schulen und in Behörden verbindlich. Ob bei rororo rotfuchs oder dtv junior - neue Bücher für junge Menschen erscheinen in neuer Rechtschreibung; auch die älteren Titel sind weitgehend aktualisiert. Eine der Ausnahmen: Hans Magnus Enzensberger veröffentlicht auch seine Kinder- und Jugendbücher im Carl Hanser Verlag in alter Form.
Die Schulbuchverlage hätten die Rechtschreibreform nun weitgehend akzeptiert, sagt Rino Mikulic, Sprecher des 71 Verlage umfassenden Verbands «VdS Bildungsmedien». Die Umsetzung der Reform sei sehr teuer gewesen. «Die kostspielige Geschichte hat sich bisher auch nicht amortisiert.»
Bei Romanen gewähren die Verlage ihren Autoren dichterische Freiheit. Bei Random House (Bertelsmann) etwa erscheinen die Bücher in der neuen Rechtschreibung - es sei denn, ein Autor wünscht die alte. Der Münchner Piper Verlag hingegen hält sich weitgehend an die alte Schreibweise - Autorenwünsche ausgenommen.
Bei Eichborn (Frankfurt) erscheinen noch 40 Prozent des Belletristik-Angebots in alter Form. «Eine einheitliche Linie wäre sicher generell nicht schlecht», räumt Sprecherin Uta Niederstrasser ein. Den Lesern falle in der Regel nicht auf, ob die alte oder neue Rechtschreibung angewendet werde.
«Bei Suhrkamp entscheidet der Autor, überwiegend wird die alte Rechtschreibung bevorzugt», sagt Sprecherin Heide Grasnick (Frankfurt). Das Werk verstorbener Autoren werde so weitergeführt, wie es vorliege. Der Weltbildverlag (Augsburg) dagegen habe sich von Anfang an voll hinter die neue Regelung gestellt und sie «problemlos umgesetzt», sagt eine Sprecherin. Literarische Texte in Anthologien stehen aber vereinzelt noch in alter Rechtschreibung.
Die Klassiker bleiben bei den meisten Verlagen unberührt - es sei denn, sie sind für den Schulgebrauch gedacht. Für den Reclam Verlag (Ditzingen) etwa ist die Umstellung «ein Fluch und kein Segen - auch, weil man es niemandem recht machen kann», sagt Werbeleiter Karl-Heinz Fallbacher. Zwischen 80 und 100 Titel der kleinen gelben Hefte «übersetze» der Verlag in die neue Rechtschreibung. «Wir machen das behutsam und orientiert an der historischen Textsubstanz. Das verursacht erhebliche Kosten und logistischen Aufwand, weil auch die Erläuterungshefte umgestellt werden müssen.»
Belletristik-Übersetzungen aus anderen Sprachen werden von den Häusern unterschiedlich gehandhabt. Der Rowohlt Verlag (Reinbek) etwa verwende dort durchgehend die neue Rechtschreibung, sagt Sprecherin Ursula Steffens. dtv (München) hingegen richtet sich nach den Vorschlägen der Übersetzer und nach der zu erwartetenden Zielgruppe. Überwiegend werde in alter Form übersetzt.
Die Wogen über die Reform haben sich allerdings geglättet. Aus der Sicht der Duden-Redaktion hat sich die Aufregung gelegt, sagt Redaktionsleiter Matthias Wermke (Mannheim). Fragen in der Sprachberatung beträfen weniger die Reform als vielmehr Anglizismen wie «E-Mail» oder «upgedated». «Irritationen lösen allerdings zusammengesetzte Wörter wie "inhabergeführt" aus.»
Bei den Zeitungen hat sich vor allem die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» als Bewahrerin der alten Rechtschreibung hervorgetan. Laut Chef vom Dienst Werner D'Inka ist man bei der «FAZ» nach wie vor davon überzeugt, dass die neue Rechtschreibung sprachliche Nuancen nicht mehr möglich mache: «Es ist eben ein Unterschied zwischen einem vielversprechenden und einem viel versprechenden Politiker.» Die große Mehrheit der Leser unterstütze dies.
Bei «Spiegel», «Zeit», «Stern», «Geo» und der «Bild»-Gruppe hingegen ist die neue Rechtschreibung Standard, wie Sprecher der Blätter sagen. «Das funktioniert reibungslos», meint ein Sprecher der «Bild»-Gruppe. Die Nachrichtenagenturen haben die Reform nach einem Beschluss von Ende 1998 weitestgehend umgesetzt. Ausnahmen sind Fremdwörter aus lebenden Sprachen wie Spaghetti oder feststehende Begriffe wie «Erste Hilfe» oder «Stiller Ozean».