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Arrow 3 Abwehrsystem aus Israel soll Deutschland schützen

Deutschland hat sich für einen Ausbau seiner Raketenabwehr entschieden. Jetzt geben die USA grünes Licht für den Milliardendeal mit Israel. In Europa gibt es Kritiker.

Von Sara Lemel und Ansgar Haase, dpa Aktualisiert: 17.08.2023, 19:01
Eine „Arrow-3“-Abfangrakete, die am Morgen des 03. Januar 2014 von einem israelischen Militärstützpunkt an einem ungenannten Ort an der Mittelmeerküste startet.
Eine „Arrow-3“-Abfangrakete, die am Morgen des 03. Januar 2014 von einem israelischen Militärstützpunkt an einem ungenannten Ort an der Mittelmeerküste startet. -/ISRAELI MINISTRY OF DEFENSE/dpa

Tel Aviv - Ein israelisches Abwehrsystem soll Deutschland und seinen Nachbarn in rund zwei Jahren einen besseren Schutz vor möglichen Raketenangriffen bieten. Die USA erteilten ihrem Bündnispartner Israel die Erlaubnis zum Verkauf des Abwehrsystems Arrow 3, wie das israelische Verteidigungsministerium mitteilte.

Arrow 3 wurde gemeinsam von Israel und den USA entwickelt, weshalb die USA ein Mitspracherecht haben. Die Verhandlungen über den Kauf hatten im Vorjahr begonnen und waren eine Reaktion auf den Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Mit den Lenkflugkörpern sollen weitreichende feindliche Flugkörper außerhalb der Erdatmosphäre durch einen direkten Treffer zerstört werden.

„Heute ist ein historischer Tag“, teilte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. „Vor 75 Jahren war das jüdische Volk auf dem Boden Nazi-Deutschlands zu Asche zermahlen worden. 75 Jahre später gibt der jüdische Staat Deutschland, einem anderen Deutschland, die Werkzeuge an die Hand, sich zu verteidigen.“ Dies sei eine historische Wende.

Größter Rüstungsdeal der israelischen Geschichte

Die US-Billigung galt als letzte größere Hürde für den historischen Vertrag zwischen Deutschland und Israel. Die Kosten belaufen sich auf knapp vier Milliarden Euro, damit ist es der größte Rüstungsdeal der israelischen Geschichte.

Pistorius: Weg für Beschaffung von Arrow 3 ist frei

Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigte sich erfreut über das grüne Licht für den Verkauf des Raketenabwehrsystems. „Damit ist nun für uns der Weg frei, die Beschaffung des Systems Arrow 3 einleiten zu können“, erklärte der SPD-Politiker in einer Mitteilung. „Das Raketenabwehrsystem wurde von Israel und den USA entwickelt, damit stellt das Projekt auch ein Zeichen unserer besonderen deutsch-israelischen Beziehungen dar.“

Dieses Beschaffungsvorhaben sei essenziell, um Deutschland künftig vor ballistischen Raketenangriffen schützen zu können. „Darüber hinaus liefern wir einen Beitrag im Rahmen des Nato-Bündnisses. Wir möchten das System in die Nato-Luftverteidigung integrieren“, sagte Pistorius weiter. Deutschland unterstütze damit auch die Sicherheit seiner Nachbarländer.

Zeremonie in Deutschland geplant

Vertreter des israelischen und deutschen Verteidigungsministeriums sowie der Israel Aerospace Industries (IAI) sollen in einem nächsten Schritt eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen. Damit werde in den nächsten Tagen oder Wochen gerechnet, die Zeremonie sei in Deutschland geplant, sagte Mosche Patel, beim israelischen Verteidigungsministerium für Raketenabwehr zuständig. Nach der Billigung durch die Parlamente beider Länder werde dann im November mit der Unterzeichnung des abschließenden Vertrags gerechnet.

Man werde für das Abwehrsystem, das an Deutschland geliefert werde, eine völlig neue Infrastruktur mit neuem Personal aufbauen, sagte Patel weiter. Eine erste Einsatzfähigkeit des Systems sei bis 2025 geplant, die volle Einsatzfähigkeit bis 2030. Die israelische Luftwaffe werde an dem Prozess beteiligt sein und ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von Arrow 3 teilen.

Das Raketenabwehrsystem könne „alle deutschen Bürger in ganz Deutschland“ schützen. Entscheidend ist dabei, dass Arrow 3 auch mobil eingesetzt werden kann. „Wir geben der deutschen Luftwaffe eine Art Paket“, erklärte Patel. „Wir trainieren ihr Personal und sie haben dann die Fähigkeit, in Zukunft ihre eigenen Offiziere auszubilden.“

Strack-Zimmermann: „sehr erleichtert“

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), äußerte sich „sehr erleichtert“ über die Erlaubnis der USA zum Verkauf von Arrow 3. „Das Besondere daran ist, dass es sich um das erste antiballistische System handelt, welches auch in der Stratosphäre, also in einer Höhe von 100 Kilometern eingesetzt werden kann“, sagte sie. „Es wird in Zukunft dazu beitragen, Deutschland und unsere Nachbarstaaten vor Luftangriffen zu schützen.“ Das System besteht aus Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und den Lenkflugkörpern.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sprach von einer „bedeutenden Entscheidung“, die auch der Wirtschaft Israels dienen werde. „Es ist auch besonders bedeutsam für jede jüdische Person, dass Deutschland ein israelisches Verteidigungssystem kauft.“

Im Juni hatten Haushalts- und Verteidigungsausschuss des Bundestags für den Kauf gestimmt. Das Geld soll aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen finanziert werden, das als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verabschiedet wurde.

Frankreich kritisiert Deutschlands Kaufabsichten

Die deutschen Kaufabsichten werden allerdings nicht überall in Europa positiv gesehen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte europäische Partner zuletzt eindringlich davor, einfach das zu beschaffen, was derzeit verfügbar ist. Um zu verhindern, dass nutzlose Systeme von nicht-europäischen Herstellern gekauft würden, brauche es zunächst einmal eine europäische Strategiedebatte, mahnte er.

Nach Ansicht Macrons ist auch zu bedenken, dass jede Entscheidung für ein nicht-europäisches System negative Auswirkungen auf die europäische Industrie habe und die strategische Souveränität Europas beeinträchtigen könnte. Es gebe in allen Schlüsselsegmenten der Luftverteidigung zahlreiche europäische Lösungen.

Geteilt werden die Bedenken auch von Experten. Die Beschaffung von Arrow 3 entspreche keinem der Fähigkeitsziele, die im Rahmen des Nato-Verteidigungsplanungsprozesses (NDPP) für alle Verbündeten festgelegt worden seien, merkte die deutsche Wissenschaftlerin Lydia Wachs jüngst in einer Analyse für die Stiftung Wissenschaft und Politik an. Das einzige russische System, das einer ballistischen Mittelstreckenrakete gleiche, sei die Kinschal-Rakete. In der Ukraine habe sich allerdings erwiesen, dass diese auch mit bereits vorhandenen Patriot-Abwehrsystemen abgefangen werden könne.