1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Psychologie: Psychologie: Arbeitslosigkeit bedeutet Stress für die ganze Familie

Psychologie Psychologie: Arbeitslosigkeit bedeutet Stress für die ganze Familie

Von Bettina Levecke 27.09.2006, 08:54

Gunzenhausen/dpa. - «Mit der Arbeitslosigkeit stehen Ehe und Familie vor einer harten Belastungsprobe», sagt Diplom-Psychologe Stefan Mages ausGunzenhausen (Bayern). Auch wenn zuvor beide Partner für dasFamilieneinkommen Sorge getragen haben, trifft Familienväter derVerlust des Arbeitsplatzes besonders hart. Wut und Angst vor derZukunft beherrschten die Gefühle. «Das Selbstbewusstsein vielerMänner steht und fällt mit ihrer beruflichen Leistung.»

Mit der Kündigung entstehen schnell Existenz- und Versagensängste. Besonders für die Partnerin sind die Veränderungen ihres Mannes oft erschreckend: Aus einem lebensfrohen Vater wird ein reizbarerNörgler, aus einem kommunikativen Partner plötzlich ein stillerMensch. «Der Schicksalsschlag Arbeitslosigkeit kann sich auf allesozialen Beziehungen übertragen», sagt Diplom-Psychologe Gert Lehmannaus Netphen (Nordrhein-Westfalen). Neben Mangel an Lebensfreudekönnen auch Schlaflosigkeit oder Impotenz die Folge sein.

Die Wesensveränderung des Mannes stellt die Beziehung auf dieProbe. «Wenn Frauen erleben, dass der Partner die Nähe zur Familiemeidet oder am Abend in die Kneipe flüchtet, nehmen sie das häufigpersönlich», sagt Lehmann. Sie müssten sich stattdessen klar machen,dass das Verhalten ihres Mannes nicht gegen sie gerichtet sei.

Gespräche und partnerschaftlicher Zusammenhalt können die Basisfür eine stabile Beziehung sichern: «Sprechen Sie ehrlich über Ängsteund Sorgen», rät Brigitte Siebe von der Arbeitslosenberatung imevangelisch-lutherischen Kirchenkreis Celle. Auch bei der Suche nacheinem neuen Job sollten Vereinbarungen getroffen werden.

Doch im Wunsch, ihren Partner zu unterstützen und ihn zumotivieren, setzen manche Frauen ihren Mann unter Druck. Warumschreibst du heute keine Bewerbungen? Warum hat es beimVorstellungsgespräch wieder nicht geklappt? «Frauen sollten ihremMann nicht das Heft aus der Hand nehmen, sondern ihn in seinenBemühungen bestärken», rät Mages.

Um das geschwächte Selbstbewusstsein durch den Jobverlust wiederzu stärken, braucht es vor allem Verständnis und Wertschätzung:«Durch Einfühlungsvermögen und liebevollen Rückhalt können sich diePartner in dieser schwierigen Situation gegenseitig stärken», sagtLehmann.

Auch der Alltag sollte strukturiert werden. Den ganzen Tag zuHause zu sein, kann sowohl den Arbeitslosen als auch die Partnerinbelasten. Um nicht aufeinander zu hocken und sich auf die Nerven zugehen, helfen laut Mages klare Absprachen, wie die Aufgaben imHaushalt aufgeteilt werden und wann Zeiten für eigene Aktivitäten undHobbys bleiben. «Es ist wichtig, am gewohnten Tagesrhythmusfestzuhalten», rät Brigitte Siebe außerdem.

Wenn jedoch alle liebevollen Bemühungen scheitern und diePaarbeziehung leidet, sollten Männer sich professionelle Hilfesuchen. «Auch die Möglichkeiten von Frauen bei der Unterstützungihres Partners sind auf Dauer begrenzt», sagt die LebensberaterinHanne Reutti aus Karlsruhe.