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Projekt in Leipzig Projekt in Leipzig: Ermittler vom Sozialamt spüren Missbrauch auf

02.08.2001, 06:04

Leipzig/dpa. - Auf diese Weise hat die Stadtin vier Monaten schon 189 000 Mark (rund 97 000 Euro) gespart.

   «Es ist jedes Mal wie ein Überraschungsei», sagt Silke Schlösservom Sozialamt. Wenn die Wohnungstüre des Antragstellers aufgeht,weiß sie nur dessen Namen und was er sich vom Sozialamt erhofft. Waser tatsächlich bekommen wird, hängt wesentlich vom Urteil derErmittlerin ab.

Weil Leipzig mit rund 161 Millionen Mark mehr als jede andereKommune in Sachsen für Sozialhilfe ausgibt, sucht die Stadt nachAuswegen. Seit März sind acht Ermittler unterwegs, mit dem Ziel, denBedarf genau festzustellen - und die Kosten zu drücken. Immerhinerhalten in der Messestadt rund 21 000 Menschen Hilfe beimLebensunterhalt, also 47 von 1000 Einwohnern. Auch damit ist LeipzigSpitzenreiter im Freistaat.

   Der diesmal besuchten Leipziger Familie geht es nach SchlössersMeinung noch verhältnismäßig gut: Sie leben auf 68 Quadratmetern mitneun Meerschweinchen, einer Ratte und einem Hund. Dass dieSchrankwand Baujahr 1968 ist, stört nicht. Dafür ist dieCouchgarnitur neu - wenn auch auf Ratenzahlung. «Früher, als ich nochArbeit hatte, wäre so etwas kein Problem gewesen», sagt der 55-jährige Familienvater. Nie hätte er gedacht, einmal auf fremdes Geldangewiesen zu sein, nur um Frau und Tochter ein bescheidenes Heimbieten zu können. Die Renovierung übernimmt der gelernte Schlosserselbst. Lediglich um das Geld für Tapeten und Farbe bittet er.«Versprechen kann ich nichts, aber ich werde ihren Antragbefürworten», sagt Schlösser dem Mann.

   Das auf vorerst zwei Jahre befristete Projekt des Sozialamtesscheint anzuschlagen. «Ziel ist es, Missbrauch zu unterbinden undgleichzeitig echten Bedarf festzustellen, der oft gar nichtangezeigt wird», sagt die stellvertretende Leiterin des Sozialamtes,Dagmar Pönisch. Ermittlerin Schlösser hat den Eindruck, dass vieleAnträge abgeschrieben klingen und einige «Kunden» eine gewisseVersandhausmentalität an den Tag legten. «Manche Antragsteller mussman auch erziehen», sagt die 33-Jährige. Für den Fall, dass maleiner aus der Rolle fallen sollte, hat sie vorsichtshalber ihr k.o.-Spray dabei.

   Von März bis Ende Juni haben die acht Ermittler 930 Haushaltebesucht und den Bedarf der Sozialhilfeempfänger um 189 000 Mark nachunten korrigiert. Gerade bei den 600 überprüften Anträgen aufeinmalige Beihilfen zu Renovierung, Bekleidung und Möbel haben dieStadtangestellten genau hingeschaut. «Bei Alkoholikern fließt dasbewilligte Geld häufig in die Kehle», meint Schlösser. Damit solljetzt Schluss sein, indem die Ermittler die renovierte Wohnungbegutachten. Außerdem werden immer mehr Warengutscheine stattBargeld vergeben.

   Wenn andere Kommunen nachziehen, könnten langfristig die Ausgabenfür Sozialhilfe gesenkt werden, meint Pönisch. Allein im vergangenenJahr wurden in Sachsen mit 1,1 Milliarden Mark rund 10 Millionen Markmehr an Sozialhilfe aufgewendet als im Vorjahr.