Porträt Alexander Lukaschenko Porträt Alexander Lukaschenko: Vom belächelten Dörfler zum gefürchteten Staatschef
Minsk/dpa. - Als Alexander Lukaschenko 1994 zum Staatspräsidentengewählt wurde, sahen manche darin einen Betriebsunfall in der nochjungen Geschichte der unabhängigen Republik Weißrussland. Doch derSowjetnostalgiker Lukaschenko hat es allen Kritikern und Zweiflerngezeigt. Mit stalinistischen Methoden regiert er das Land zwischenPolen und Russland. Kein europäisches Staatsoberhaupt mit Ausnahmeder Monarchen ist so lange an der Macht wie der erst 51-jährigeLukaschenko.
Eher im Scherz hatte das Parlament 1993 den bespötteltenAbgeordneten mit der Fistelstimme zum Chef des Anti-Korruptions-Ausschusses gemacht. Mit dem Image eines Kämpfers gegen dieKriminalität übernahm Lukaschenko im Jahr darauf in einer fairen Wahldie Macht. Seitdem hat er es sich außer mit den Russen so gut wie mitallen Europäern verdorben. Im eigenen Land jedoch genießt Lukaschenkovor allem wegen seiner restriktiven Wirtschaftspolitik bei vielen einhohes Ansehen.
Der 1954 an der Grenze zu Russland geborene Lukaschenko wuchs ohneVater auf. Noch heute ist er stolz darauf, «der tollste Bursche» inseinem Dorf gewesen zu sein. In einem Berufsweg voller Brüchestudierte Lukaschenko Geschichte und Landwirtschaft, arbeitete alsPolitkommissar der sowjetischen Truppen und leitete von 1987 bis zuseinem Wechsel ins höchste Staatsamt eine Sowchose in seinemHeimatgebiet Mogiljow. Im Minsker Parlament soll er 1991 angeblichals einziger gegen die Auflösung der Sowjetunion gestimmt haben.
Kritiker werfen Lukaschenko vor, mit den Jahren immer brutalergegen Andersdenkende vorzugehen. Viele landeten im Gefängnis, einigewurden allem Anschein nach ermordet. Lukaschenko nimmt nach Ansichtseiner Gegner mehr und mehr die Züge des Nazi-Diktators Adolf Hitleran. Wiederholt ließ Lukaschenko seine Sympathie für Hitler erkennen.Auch er wolle nicht freiwillig abtreten. «Ich werde mein Volk, meinenStaat und meine Macht mit der Waffe im Arm verteidigen, notfalls auchallein», tönte Lukaschenko im Vorjahr.
Dass Lukaschenko ein gerissener Politiker ist, gestehen auch seineGegner ein. Der Präsident lässt seine Spitzenbeamten ständigrotieren, damit sich nirgendwo Widerstandsnester bilden können. DieFabriken produzieren, wenngleich auf international wenigkonkurrenzfähigem Niveau. Zum Wohl der heimischen Textilindustriebrachte der Präsident sein Verständnis von Konkurrenz und Qualitätein. Man solle mehr beim Ausland abkupfern, forderte er jüngst inMinsk: «Was hindert unsere Konzerne daran, Schnittmuster im Auslandzu kaufen oder, wenn das nicht möglich ist, zu stehlen, um dann inBelarus gleiche Kleidung zu fertigen?»
Weißrussische Patrioten argwöhnen, der Präsident solle in seinerHeimat jegliches Nationalgefühl abtöten, damit die westlichste Ex-Sowjetrepublik dem Kreml wieder wie ein reifer Apfel in den Schoßfällt. Nach Gründung des Staatenbundes mit Russland 1996 sah es soaus, als wollte Lukaschenko selbst als Präsident dieses Gebildes inden Kreml einziehen. Doch seit in Moskau Wladimir Putin herrscht, istLukaschenko in der Defensive. Putin treibt die Vereinigung voran,während Lukaschenko die Selbstständigkeit Weißrusslands betonen muss.