Paragraf 219 Paragraf 219: Gesundheitsminister Jens Spahn greift Gegner von Werbeverbot für Abtreibungen an

Berlin - Eine Woche nach seinen umstrittenen Äußerungen zu Hartz IV hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erneut Äußerungen gemacht, die vielfach als provozierend empfunden werden. Hatte er mit Blick auf das Arbeitslosengeld II von rund 400 Euro monatlich gesagt, jeder bekomme, was er zum Leben brauche, kritisierte er nun Rufe nach einer Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen. „Mich wundern die Maßstäbe: Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos“, sagte der 37-jährige Kabinettsneuling der Bild am Sonntag. „Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht.“
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach warf Spahn vor, mit seiner Zuspitzung zu spalten, was ungut für die Debatte sei. „Es geht nicht um Werbung für Abtreibung, sondern neutrale Information“, schrieb Lauterbach am Sonntag bei Twitter. „Wollen wir wirklich, dass in Doppelmoral Abtreibung zwar erlaubt ist, Frauen aber ins Ausland fahren müssen?“ Tatsächlich wurden im vorigen Jahr in Deutschland rund 101 200 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen – 2,5 Prozent mehr als 2016.
Hofreiter wirft Spahn Hardliner-Positionen vor
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, wieder versuche sich Spahn mit Hardliner-Positionen zu profilieren, „diesmal auf Kosten von Frauen in Notlagen und in Gewissensnöten“. Die Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, erklärte dieser Zeitung: „Das ist der rechte Klassiker. Wenn die Rechten von ihren sozialen Grausamkeiten ablenken wollen, starten sie ein Ablenkungsmanöver. Und diese Ablenkungsmanöver zielen meist darauf, entweder die Rechte von Migranten oder – wie in diesem Fall – die Rechte von Frauen einzuschränken.“ Sie fügte hinzu: „Die Linke steht an der Seite von Frauenärztinnen wie Kristina Hänel und kämpft für die Streichung des Paragraphen 219a.“
Die Fraktionschefs von Union und SPD hatten sich zuletzt darauf verständigt, dass die Regierung einen Vorschlag in dieser Frage vorlegen werde. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) soll ihn unterbreiten. Die SPD zog daraufhin einen Antrag für ein Aus des Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a zurück, der Werbung für Abtreibungen verbietet. Dies trug ihr von Linken und Grünen Kritik ein.
Spahn hatte in der Sache schon mal Unmut auf sich gezogen
Auslöser für die Debatte um den Paragrafen 219a war ein Gerichtsurteil vom vergangenen Jahr. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel war zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Homepage per Link über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. „Werbung" bedeutete im Fall der Ärztin aber bloß, dass dort, wo sie auf ihrer Internetseite ihr Leistungsspektrum auflistet, auch das Wort „Schwangerschaftsabbruch“ stand. Wer auf den Link klickte, konnte seine E-Mail-Adresse angeben und erhielt dann Informationsmaterial zugesendet. Rechtswidrig handelt nämlich schon, wer lediglich allgemeine Hinweise über Schwangerschaftsabbrüche weitergibt und auf Stellen verweist, wo der Eingriff vorgenommen werden kann. Im Gesetzestext ist zudem von einem strafwürdigen „Vermögensvorteil“ die Rede. Der wird bei Ärzten wegen des Honorars vorausgesetzt.
2012 hatte Spahn beim selben Thema schon mal Unmut auf sich gezogen. Da ging es um die Forderung der SPD, die Pille danach von der Rezeptpflicht auszunehmen. „Die Pille danach muss auch weiterhin rezeptpflichtig bleiben“, hatte Spahn gesagt, seinerzeit gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Für Unmut sorgte der Zusatz: „Solche Pillen sind schließlich keine Smarties.“
Wie bereits am Wochenanfang in der Hartz IV-Debatte schlug CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auch jetzt einen versöhnlichen Ton an. „Sollte es bei der derzeitigen Rechtslage Informationslücken geben, werden wir sicher eine Lösung finden, dass Frauen einen noch besseren Zugang zu allen nötigen Informationen bekommen“, sagte sie der Bild am Sonntag mit Blick auf die SPD-Forderung. Eine „Aufweichung des Werbeverbots“ stehe für die Union aber nicht zur Debatte.