Panama Papers Panama Papers: Journalisten sicherten Laptops mit Glitzernagellack
Berlin - Eigentlich wirkt Bastian Obermayer nicht wie jemand, der sich für glamouröse Kosmetik interessiert. Im weißen Hemd beantwortet der hagere 38-Jährige derzeit uneitel Fragen. Sein - trotz der Namensähnlichkeit nicht verwandter - 32-jähriger Kollege Frederik Obermaier passt mit Dreitagebart und Laptop ebenfalls besser in einen Starbucks als in eine Parfümerie.
Doch im vorigen Sommer machen sich die beiden Journalisten auf die Suche nach - Glitzernagellack. Ihr Büro im 24. Stock der Süddeutschen Zeitung im Münchner Osten haben sie zum „War Room“ aufgerüstet: Zahllose Aktenschränke und Tafeln an der Wand. Die Glastür mit Sichtfolie bezogen und nur von vier Leuten zu öffnen. Der Laptop ist angekettet in einem Gehäuse gesichert. Dessen Schrauben aber, so haben es Sicherheitsexperten empfohlen, werden zusätzlich mit Glitzernagellack versiegelt, um mögliche Manipulationsversuche sichtbar zu machen.
Hochleistungsrechner für 17.000 Euro
Für die Vorsicht gibt es Gründe: Immer wieder wird der Computer von einer anonymen Quelle mit brisanten Daten gespeist. Am Ende - längst musste ein 17.000 Euro teurer Hochleistungsrechner angeschafft werden - ist die unvorstellbare Menge von 2,6 Terabytes geflossen.
Die „Panama Papers“ mit vertraulichen Informationen über 214.000 Briefkastenfirmen sorgen seit dem Wochenende mächtig für Wirbel. Der isländische Premier ist zurückgetreten. Andere Regierungschefs und Prominente befinden sich in Erklärungsnot. Die Kanzlei Mossack Fonseca in Panama, deren Server möglicherweise gehackt wurde, hat Strafanzeige gestellt. Und nun, wenige Tage nach ihrem Scoop, legen „die Gebrüder Obermay/ier“, wie SZ-Chefredakteur Kurt Kister die beiden Investigativreporter ironisch taufte, auf 350 Buchseiten die „Geschichte einer weltweiten Enthüllung“ vor.
Der Titel klingt ein wenig reißerisch. Und tatsächlich haut die SZ-Marketingabteilung derzeit mächtig auf die Pauke: Immer wieder ist vom größten Daten-Leak aller Zeiten die Rede, der Vergleich mit Watergate wird bemüht, und der Hinweis auf 400 Journalisten in 80 Ländern, die an der Aufarbeitung der Daten beteiligt waren, fehlt nirgendwo. Dahinter verbirgt sich eine ordentliche Portion Eigenlob, aber wohl auch der Versuch, eine extrem komplexe Materie für eine breitere Öffentlichkeit greifbar zu machen.
Einstieg in die Thematik leichtgemacht
Das glänzend geschriebene Buch macht dem mit Steuerfragen wenig vertrauten Laien den Einstieg in die Thematik leicht. Man kann es auf ganz unterschiedliche Weise lesen. Es beschreibt - wie die Nagellack-Geschichte versinnbildlicht - einen faszinierenden Kampf Davids gegen Goliath: Eine Tageszeitung mit begrenzten Ressourcen versucht, ein dubioses Finanzgeflecht auszuleuchten, in dem sich 50 Milliardäre und mehrere Dutzend Staats- und Regierungschefs verstecken. Dass die SZ die beiden Autoren ein Jahr für die Recherche freistellt, ist in der heutigen Medienwelt ein unglaublicher Luxus. Trotzdem reichen deren Kapazitäten bei weitem nicht. Wie die Autoren ein globales Investigativ-Netzwerk in die Arbeit einbeziehen - immer besorgt, dass eine Information vorzeitig nach außen dringen könnte - ist ein Lehrstück für modernen Journalismus.
Dabei liest sich das Buch spannend wie ein Krimi. Es beginnt mit einer anonymen Nachricht („Hallo. Hier spricht John Doe. Interessiert an Daten? Ich teile gerne.“), führt über eine Reise mit einer versteckten Festplatte in die USA bis in die Redaktion der panamesischen Zeitung La Prensa, deren Reporter nur mit schusssicheren Westen auf die Straße gehen. Wer der geheimnisvolle Informant ist, der die ganze Lawine ins Rollen bringt, woher seine gigantischen Datenmengen stammen und weshalb er sie kostenlos bereitstellt, bleibt offen. Die Autoren wissen es selbst nicht.
Eine Parallelwelt der Superreichen
Vor allem aber wird in 30 Kapiteln geschildert, wie Politiker, Sportler, Drogenbosse oder Mafia-Vertreter ihr Geld mit Hilfe angesehener Banken verschleiern. Nicht jede dieser Transaktionen ist illegal. Viele sind dermaßen kompliziert, dass man sie im Detail kaum versteht. Insgesamt aber entsteht das Bild einer Parallelwelt der Superreichen, die ihre Vermögenswerte offshore parken - nicht nur, um Steuern zu sparen. Der Verdacht liegt nahe, dass Diktatoren so internationale Sanktionen umgehen, Autokraten ihr Volk betrügen oder sich Finanzjongleure den Gesetzen ihres Landes entziehen wollen.
Viele Indizien weisen in Richtung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der chinesischen Führung und des syrischen Diktators Baschar al-Assad. Nicht immer freilich sind die Fakten so erdrückend wie im Island-Fall. Von Seite zu Seite aber verfestigt sich der Eindruck, dass Briefkastenfirmen und Offshore-Paradiese den Interessen der Allgemeinheit schaden. „Dieses Leak ist womöglich ein Anfang. Der Anfang vom Ende der Steueroasen“, schließen die Autoren. Man hofft, dass sie Recht bekommen.