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"Pädophile Vergangenheit" "Pädophile Vergangenheit": Grüne geraten unter Druck

Von Katja Tichomirowa 16.05.2013, 19:58
Daniel Cohn-Bendit 1968 bei einer Demonstration
Daniel Cohn-Bendit 1968 bei einer Demonstration dpa Lizenz

Berlin/MZ - Dany le Rouge, wie sich Daniel Cohn-Bendit nennen ließ, veröffentlichte sein Buch „Der große Basar“ im Jahr 1975. Es berichtet von seiner Zeit als Kindergärtner in der Frankfurter Sponti-Szene. „Mein ständiger Flirt mit den Kindern nahm erotische Züge an“, heißt es darin, und „es kam vor, dass einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln“. Er habe zurückgestreichelt, behauptet Cohn-Bendit in dem Buch. Das gesagt zu haben, ist dem grünen Europapolitiker heute peinlich, mehr noch findet er es geschmacklos, unsäglich. Die inkriminierten Szenen, behauptet er, seien Fiktion („eine Männerfantasie“, wie Alice Schwarzer richtig analysiert habe) und Provokation. Das Buch sei „unglaublich angeberisch“ und von dem Wunsch diktiert, „immer noch einen draufzusetzen“, gestand er in dieser Woche dem „Spiegel“.

Schlechte Literatur

Cohn-Bendit hat sich, seitdem der Text 2001 wieder hervorgekramt wurde, vielfach für die „schlechte Literatur“ entschuldigt. Er will aber nicht verfolgt werden für etwas, dass er nicht getan hat, sagt er. Er will Wort und Tat voneinander getrennt wissen.

Einer Tat ist Cohn-Bendit nie beschuldigt worden. Kein von ihm betreutes Kind hat ihm Missbrauch vorgeworfen. Es sind seine Worte, die ihn verfolgen, und inzwischen nicht mehr nur ihn. Die Debatte um Cohn-Bendit ist zu einer Debatte über „die pädophile Vergangenheit“ seiner Partei geworden.

Sie zieht Kreise. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte am Dienstag, er habe große Zweifel daran, dass es richtig sei, dass die Grünen, „die schützende Hand über einen so widerwärtigen Typen wie den Cohn-Bendit“ halten. Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, warf Dobrindt daraufhin vor, „Wahlkampf auf dem Rücken von Missbrauchsopfern“ zu machen. Den Versuch von Pädophilen, in den 80er Jahren Einfluss auf das Parteiprogramm der Grünen zu nehmen, räumte Lemke ein - er sei aber gescheitert. Nun will die Partei das Kapitel von unabhängigen Forschern aufarbeiten lassen. „Die Grünen“, schreibt die taz am letzten Sonnabend, „haben sich in den 80er Jahren möglicherweise weit stärker für die Interessen Pädophiler eingesetzt als bisher bekanntgewesen sei“. Unbekannt war dieser Einsatz mitnichten. Er geriet in Vergessenheit, wohl auch, weil viele Grüne die „Kindersex-Debatte“ nur allzu gern im Parteiarchiv versenkten.

1985 setzte sich die grüne Arbeitsgruppe „Sexualität und Herrschaft“, die sich nach den ihr angehörenden Schwulen und Pädophilen SchwuP nannte, vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen für die Straffreiheit von „einvernehmlichem Sex“ zwischen Minderjährigen und Erwachsenen ein. Die Forderung legten sie dem Landesparteitag vor. Die Delegierten nahmen die Vorlage an, allerdings nur als Arbeitspapier. Die taz fasste die öffentliche Empörung über den Vorgang damals in dem Satz „die Grünen sind alle Kinderficker“ zusammen. Ende der Sechzigerjahre diskutierten in der BRD auch Sexualwissenschaftler und Kriminologen über einen neuen Umgang mit sexuellen Kontakten zwischen Kindern und Erwachsenen. Die erst in Heidelberg und später in Nürnberg aktive Indianerkommune war ein Wohnprojekt für Erwachsene und Kinder, das als „Kinderrechtsinitiative“ für pädosexuelle Beziehungen warb - auch auf Parteitagen der Grünen.

„Die sind doch alle meschugge“

Dass es auch vehemente Vorkämpfer einer von Tabus befreiten Sexualität von Kindern und Jugendlichen gab, die im Verhältnis gegenüber Erwachsenen von Sexualdarwinismus sprachen, also dem Recht des Stärkeren, statt vorgeblich „einvernehmlicher“ Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen - diese Erkenntnis ging vielen Grünen erst später auf. Daniel Cohn-Bendit erinnerte sich jetzt im „Spiegel“ daran, wie er irgendwann, als das mit der Indianerkommune losging, die für die Herabsetzung der Altersgrenze für sexuellen Verkehr zwischen Erwachsenen und Jugendlichen einstand, gesagt habe: „Schluss mit diesem Indianerscheiß, die sind doch alle meschugge.“