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Obamas afrikanische Wurzeln Obamas afrikanische Wurzeln: Ein Besuch bei «Großmutter» Sarah in Kenia

Von Ulrich Werner Schulze 18.01.2009, 15:34

Kogelo/Kenia/ddp. - Jahrzehntelang stand dieser kulturellen Übermacht der Weißen kaummehr als Martin Luther Kings «Traum» entgegen von einem Amerika, indem Schwarze und Weiße dieselben Rechte nicht nur haben würden,sondern auch leben könnten. Dies scheint sich in der Wahl Obamaserfüllt zu haben, der am Dienstag in Sichtweite des Ortes, an demKing 1963 die berühmte Rede von seinem Traum gehalten hatte, ins Amtdes US-Präsidenten eingeführt wird.

Doch Obama selbst teilt die kulturelle Entfremdung derAfroamerikaner nicht, die er in seinem Buch beschreibt, nicht invollem Umfang jedenfalls. Das verdankt er seinen afrikanischenWurzeln. Seine Vorfahren waren nicht als Sklaven gewaltsam über denAtlantik verschleppt worden, sondern folgten ihrem eigenen Traum.Obama ist von seiner afrikanischen Familie und deren Geschichte nichtabgeschnitten worden.

Aus dem vielfach verflochtenen und mehrfach verzweigten Wurzelwerkdes Familienstamms der Obamas ragen zwei Sprosse heraus: der seinerälteren Halbschwester Auma; sie wuchs in Alego, Westafrika, undNairobi auf, studierte einige Jahre lang in Heidelberg und Berlin,spricht ausgezeichnet Deutsch und lebt derzeit wieder in Nairobi -eine Vertreterin afrikanischer Bildungselite.

Sodann seine «Großmutter» Sarah, 86 Jahre alt, eine Farmerin. IhreGestalt von der harten Arbeit gebeugt, in bunt bedrucktem Kleid undKittelschürze, bestellt Sarah Onyango Hussein Anna Obama, so ihrvoller Name, ihr kleines Feld im Dorf Kogelo im Nordwesten Keniasnoch selbst. Mais, Yams, Gemüse, Süßkartoffeln. Hühner gackern, einPfau stolziert über den rotbraunen Sand. Schon mit 16 Jahren war sie,drei Jahre älter als ihr Bruder Barack Hussein Obama senior, mitHussein Onyango verheiratet worden, einem ihrer Stiefgroßväter unddem besten Freund ihres Vaters; demnach ist Sarah zugleich leiblicheTante wie Stiefurgroßmutter von Barack Obama.

Wenn ihr «Enkel» Präsident werde, hatte sie bereits im August 2008angekündigt, «dann fliege ich zur Amtseinführung nach Washington».Und tatsächlich wird sie wohl dabei sein, wenn Barack Obama als 44.Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, jedenfalls war siedazu dieser Tage trotz heftiger Rückenschmerzen weiterhinentschlossen. Doch ihr Gastgeschenk - sie wollte dem «Enkel» einenSpeer der heimischen Luo-Krieger mitbringen - wird auf jeden Fall inKogelo bleiben müssen: Sicherheitsbestimmung.

Die Obamas sind vom Stamm der Luo; der Name bedeutet «brennenderSpeer». Obama ist ein Name mit großer Geschichte in der Region.Barack Obamas afrikanischer Vorfahre Owiny war vor etwa sechsGenerationen ein berühmter Führer der gefürchteten Luo-Krieger, dieeinst die Bantu schlugen. Neben Sarah Obamas Haus ist das Grab vonBaracks Vater; 1982 war er in Nairobi bei einem Verkehrsunfall umsLeben gekommen.

Der «alte Mann», wie Barack Hussein Obama senior nach kenianischerSitte von seinen Kindern Auma und Barack genannt wird, ist diezentrale Gestalt der jüngeren Familiengeschichte. Noch als er mitKezia, einer Afrikanerin, verheiratet war, zog es ihn, einemStipendium folgend, 1959 nach Honolulu, Hawaii. Seinerzeit 23 Jahrealt, war er dort der erste schwarze Student. Er lernte dort StanleyAnn Duham kennen, eine Weiße, Tochter eines Möbelhändlers aus Kansas,und heiratete sie - gegen den Widerstand von Anns Eltern wie auch denseiner eigenen Familie.

Sarah Obamas Mann Onyango ließ wissen, dass er unglücklich sei,dass «das kenianische Blut mit dem einer Amerikanerin, einer Weißenzumal, vermischt» werde. Ein Jahr darauf, am 4. August 1961, kamBarack Obama in Honolulu zur Welt. Mitte der 60er Jahre ging Baracksenior zurück nach Kenia. Mutter Ann folgte bald darauf mit ihremSohn einem Indonesier für einige Jahre nach Jakarta.

Barack senior arbeitete in verschiedenen Ministerien desPräsidenten Jomo Kenyatta als hoch angesehener leitenderAngestellter, bis er 1967 zum Präsidenten zitiert wurde. Er sei einQuerulant, eröffnete ihm der Staatschef. Er rede schlecht über ihnund kritisiere die Regierung. Kenyatta fuhr fort, Obama werde solange nicht mehr für ihn arbeiten, «bis man mich ohne Schuhe aus demZimmer trägt». Als Hintergrund des Hinauswurfs gilt unter KennernKenias aber ethnischer Zwist: Der Luo Obama hatte sich wohl zu offenund zu deutlich über Willkür und Korruption der herrschenden Klassevon Kenyattas Kikujus geäußert.

Barack senior fiel tief. Ohne feste Arbeit, ohne Zuhause, schluger sich als Tagelöhner und Bettler durch, wechselte Stellen,Wohnungen, manchmal auch Frauen. Die Bande zur Familie aber hielten,auch wenn sie dünner wurden, die Besuche seltener. Erst als Kenyattatot war, erhielt er wieder eine Stelle in einem Ministerium.

Sarah, seine Schwester, befremdet es bis heute, dass Barack seniornach Amerika gegangen war. Auf ihren berühmten «Enkel» sei sie stolz,sagt sie, sie verehre ihn. Sie sei ihm dafür dankbar, dass er inKogelo den Ausbau der «Senator-Barack-Obama-Schule» finanziert habeund auch ihr Haus habe renovieren lassen. Sogar ein Solardach undeinen Brunnen hat sie nun. Aber sie liebe ihre Enkelin Auma - eineechte Afrikanerin.

Barack Obama besuchte seine Familie in Kogelo erstmals Ende der80er Jahre. In einem langen Gespräch erzählten ihm sein StiefbruderRoy, Sarah und deren Stiefmutter Dorsila seinerzeit von denverschlungenen Lebensbahnen seines Vaters und der Geschichte dergroßen afrikanischen Familie. Sarah habe auf dem Sofa gesessen untereinem Foto von Barack senior, das ihn eine Pfeife rauchend zeigt,schreibt Obama in seinen Erinnerungen - heute hängt daneben einblaues Plakat: «Vote for Senator Obama.»

Barack Obama ging nach dem Gespräch still um das kleine Haus, dieHände tief in den Taschen, setzte sich unter einem Mangobaum aufeinen Stein und schaute auf das Grab seines Vaters, wie er in seinenErinnerungen schreibt: «Ich saß vor dem Grab und weinte. Als meineTränen schließlich versiegt waren, erfasste mich eine große Ruhe. Ichspürte, dass sich der Kreis schloss.»