Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: Stadtflucht und Geburtenrückgang plagen die Städte im Ruhrpott

Essen/dpa. - Der Schmelztiegel aus Deutschen, Ost- und Südeuropäern erhält weniger Zuwanderung als für Wachstum notwendig wäre. Die Geburtenrate hält mit den Sterberaten nicht mehr Schritt und Familien zieht es weiterhin in das schönere Wohnumfeld in den Randregionen.
Während Demoskopen die Einwohnerzahl im Kernrevier um die großen Städte Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen, Essen und Duisburg rasant sinken sehen, erfreuen sich Landkreise im Münsterland und dem Rheinland erklecklicher Zuwächse. Bis 2020 erwarten die Experten einen Bevölkerungsrückgang im Ruhrgebiet von 200 000 bis 400 000 Menschen. Derzeit zählt das Revier rund 5 Millionen Menschen. Die NRW-Zahl von 18 Millionen Einwohnern bleibt den Prognosen zufolge stabil. In denneunziger Jahren hatte Nordrhein-Westfalen (NRW) noch knapp eineMillion Einwohner hinzugewonnen, während die Kernstädte im Revier mehrals 100 000 verloren.
Stoppen, oder zumindest abmildern, lässt sich der Prozess imRuhrgebiet aus Sicht der Forscher nur durch eine nachhaltigeAufwertung der Städte. «Es gibt Universitätsstädte wie München,Regensburg oder Leipzig, die vom Zuzug junger Menschen profitieren undAusnahmen in Deutschland bilden», sagt Klaus Peter Strohmeier vomZentrum für Interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung an der Ruhr-Universität Bochum. Sorgen bereiten ihm Revierstädte wieGelsenkirchen, die vom Strukturwandel hart getroffen sind. Dort fehlennach dem Wegfall von Industrien die Arbeitsplätze. Die Stadt verliertlaufend Einwohner. «Das macht mich ein bisschen bange.»
Nach der Wende Anfang der neunziger Jahre konnten die Großstädteden Bevölkerungsschwund kurzzeitig durch Zuzüge aus der neuenBundesländern auffangen. Wenige Jahre später setzte sich der alteTrend wieder fort, schreibt Wirtschafts- und Sozialgeograph HansBlotevogel in seiner 2004 veröffentlichten Studie über Stadt-Umland-Wanderungen. Die Landkreise im Ruhrgebiet haben vom Wegzug aus denGroßstädten zeitweise profitiert. Inzwischen ziehen ihre Stammbewohnerwiederum in entferntere Nachbarkreise weg. Dort droht in der Zukunftein Überalterungsprozess.
Bundestagspräsident Norbert Lammert will als Vorsitzender der CDURuhrgebiet seine Region stärken, damit sie nicht die Entwicklung desganzen Landes Nordrhein-Westfalen bremst. Die Landtagsfraktion undMinisterpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sehen das ebenso.
Revierforscher Strohmeier sieht die Verbesserung der Wohn- undLebensqualität in der Stadt als wichtigsten Schritt an. Menschen mitmittleren bis geringeren Einkommen und vor allem junge Erwachsenemüssten Lebensqualität genießen können.
Den Profiteuren der Abwanderung würde Strohmeyer gern etwas Geldaus der Tasche ziehen. Die kleinen Städte am Rande des Reviers werbenja mit ihrer Nähe zu den Einkaufs- und Arbeitszentren, kassieren aberdie «Kopfsteuern». «Wir brauchen dringend ein anderesGemeindefinanzierungssystem zum Schutz der schrumpfenden Städte.