Niedersachsen Niedersachsen: Richter stoppten Kampfhunde-Verordnung

Berlin/Hannover/dpa. - Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch (3. Juli 2002) die niedersächsische Kampfhundeverordnung für nichtigerklärt. Die Gefährlichkeit von Hunden könne in einer Verordnung nicht nur nach Rassegesichtspunkten festgestellt werden, erklärten die Richter. Für bestimmte Rassen bestehe derzeit zwar der Verdacht, dass von ihnen erhöhte Gefahren ausgehen. Es sei jedoch umstritten, welche Bedeutung diesem Faktor neben zahlreichen anderen Ursachen wie Erziehung und Ausbildung des Hundes zukomme.
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) kündigteein Landesgesetz an, um die Bürger vor Kampfhunden zu schützen. DieInhalte der bisherigen Verordnung seien vom Gericht nicht beanstandetworden. Als Kläger begrüßte der Tierschutzverein Hannover das Urteil,erwartet nun aber, dass ein Gesetz verabschiedet wird, das einestrengere Überprüfung der Halter von Kampfhunden vorschreibt.
Der Gefahrenverdacht allein rechtfertige die Verordnung in derbestehenden Form nicht, urteilte das Bundesverwaltungsgericht. Es seiSache des Landesparlaments, die Einführung von Rasselisten imZweifelsfall selbst zu verantworten. Ein derartiges Gesetz liege inNiedersachsen aber nicht vor.
Hundehalter und der Tierschutzverein Hannover hatten in Berlindagegen geklagt, dass es in der Verordnung für bestimmte HunderassenHaltungs-, Zucht- und Vermehrungsverbote sowie Maulkorb- undLeinenzwang gibt. In der Kategorie eins sind Bullterrier, AmericanStaffordshire Terrier und Pitbulls als «besonders gefährliche Hunde»erfasst. Zur Kategorie zwei gehören unter anderem Dobermänner undRottweiler.
Als gefährlich eingestufte Hunde mussten an Wesensteststeilnehmen. Die Halter mussten nachweisen, dass sie geeignet sind,einen Hund zu besitzen. Die Kläger wandten sich in der Verhandlungspeziell gegen die Rassekataloge. Das Oberverwaltungsgericht inLüneburg (OVG) war ihren Argumenten vor rund einem Jahr zum Teilgefolgt. Das Land Niedersachsen war dagegen in Revision beimBundesverwaltungsgericht gegangen und unterlag jetzt.
Landwirtschaftsminister Bartels kündigte an, einen Gesetzesentwurfin den Landtag einzubringen. «Das Gericht scheint die Inhalte derVerordnung nicht zu kritisieren, auch nicht die Rasselisten», sagteBartels der dpa. Es habe nur entschieden, dass eine Verordnung fürein derartiges Vorgehen nicht ausreiche.
«Wir erwarten eine neue gesetzliche Regelung, die nicht die Tierebestraft, sondern eine gründlichere Überprüfung der Hundehalter inden Mittelpunkt stellt», sagte Geschäftsführer Heiko Schwarzfeld amMittwoch. Die Tötung eines Tieres sei für das Land bisher derbilligste Ausweg gewesen. Eine wünschenswerte Neuregelung mitverschärften Halterüberprüfungen sei wesentlich teurer. «Dass dieVerordnung ganz gekippt wird, damit hätten wir überhaupt nichtgerechnet», sagte Schwarzfeld.
Nach mehr als tausend Wesenstests kritisierten auch Experten derTierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) die Kampfhundeverordnung.«Nur fünf von ihnen haben den Wesenstest nicht bestanden», sagteTiermediziner Hansjoachim Hackbarth. Der Wesenstest für alle Hundeeiner Rasse sei nicht der richtige Weg. «Viel sinnvoller wäre es, nurdie Hunde zu testen, die zur Zucht zugelassen werden sollen», sagteHackbarth. Mit dieser «genetischen Selektion» würden dann Hunde miteinem hohen Aggressionspotenzial aussortiert.
Die Bundesrichter wiesen darauf hin, dass bisher wissenschaftlichnicht ausreichend geklärt sei, welche Bedeutung der genetischenVeranlagung eines Hundes als Ursache für Beiß-Attacken zukomme. Dieebenfalls in der Verhandlung aufgeworfene Frage, warum nicht auch derdeutsche Schäferhund in die Kategorie zwei der Verordnung aufgenommenworden sei, spiele angesichts der Nichtigerklärung keine Rolle mehr,sagten die Richter.