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Nationale PISA-Ergebnisse Nationale PISA-Ergebnisse: Der Sprengsatz kam nachts per E-Mail

Von Karl-Heinz Reith 23.06.2002, 15:11
Ergebnisse der Bundesländer im PISA-Test im
Ergebnisse der Bundesländer im PISA-Test im dpa

Berlin/dpa. - Der PISA-Sprengsatz erreichte die Schulministerder 16 Bundesländer nachts per E-Mail: 254 Seiten mit vielenTabellen - immer noch «streng geheim» und daher verschlüsselt. Alsdie Nachrichtensendungen in der Nacht zum Samstag bereits die erstenErgebnisse meldeten, entschied sich die Spitze derKultusministerkonferenz (KMK), das bislang nur einem kleinen Kreisvon Auserwählten bekannte Material zumindest den eigenenMinisterkollegen zugänglich zu machen.

Dabei waren einige Einzelheiten, wie die Vorrangstellung Bayerns,bereits eine Woche zuvor an die Öffentlichkeit gedrungen. DerVeröffentlichungs-Fahrplan brach zusammen. Das brisante Materialsoll jetzt offiziell am Dienstagabend der Öffentlichkeit präsentiertwerden, zwei Tage früher als geplant. Selten war bei einemBildungsthema der Kampf der Medien um die Erstveröffentlichung sohart wie bei dem PISA-Länderranking. Bereits am Wochenende sorgtenfalsch zugeordnete Tabellen in einigen Medien für Verwirrung.

Doris Ahnen (SPD), Schulministerin in Rheinland-Pfalz, warntdeshalb davor, die PISA-Studie ausschließlich «wie eine Fußball-Tabelle zu lesen». PISA soll Schwachstellen aufzeigen und Reformenanstoßen. Auch ihre baden-württembergische Amtskollegin AnnetteSchavan (CDU) mahnt dazu, «Aufgeregtheiten» zurückzustellen.

Und fast übereinstimmend betonen die Länder-Bildungssprecher vonSPD und Union, Jürgen Zöllner (Rheinland-Pfalz) und Hans Zehetmair(Bayern), Bildungspolitik soll auf jeden Fall Ländersache bleiben.Ja zu gemeinsamen Ziele und Lernstandards für die Schulen sowie zumehr Überprüfungen - aber kein «Einheitsbrei» und «Marschieren imGleichschritt».

Doch nicht nur die Wirtschaft, der Bundeselternrat und dieBildungsgewerkschaft GEW hegen inzwischen deutliche Zweifel amdeutschen System der Länderzuständigkeit für die Schule. Zwar hattesich Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) bereits imvergangenen Jahr im «Forum Bildung» mit den Ländern auf dieEinleitung wichtiger Reformen verständigt. Doch die Umsetzung läuftmehr als schleppend an. Die vier Milliarden Euro, die der Bund inden Ausbau von 10 000 Ganztagsschulen stecken will, sollen daher mitklaren Zielvereinbarungen verbunden werden.

Doch die Kultusminister haben Angst vor den Folgekosten. Ihnensitzen die Länder-Finanzminister im Nacken, die den ab 2005einsetzenden Schülerrückgang für deutliche Einsparungen nutzenwollen. Ihr einstimmiger Sparbeschluss wurde trotz heftigster Kritikbisher nicht zurückgenommen. Der Bund will aber mit den vierMilliarden Euro nicht nur die Länder-Kassen auffüllen sondern echteSchulreformen sehen.

Die PISA-Studie belegt, dass die auch bitter nötig sind. Wer indie Einzelheiten des umfangreichen Tabellenwerks eindringt, merktschnell, dass platter Wahlkampf beim Schulthema eher unangebrachtist. Licht und Schatten liegen oft dicht beieinander. Beeindruckendsind die Leistungen an Bayerns Schulen, das als einziges deutschesBundesland ins obere Leistungsdrittel des internationalen Vergleichsaufsteigen konnte - auf Platz 10. Die Bundesrepublik insgesamtlandete nur auf Platz 21 von 31 gewerteten Staaten.

Doch krass sieht es bei der sozialen Förderung aus. Mit seinem«steilen Gefälle der Bildungsbeteiligung» bevorzugt Bayern lautPISA-Studie auf dem Weg zum Abitur vor allem die oberen sozialenSchichten. Nur 20 Prozent eines Jahrgangs machen dort Abitur, derBundesschnitt liegt bei 27, im Saarland, in Hessen, NRW und Baden-Württemberg zwischen 29 und 30 Prozent.

Aber auch SPD-geführte Bundesländer wie Rheinland-Pfalz,Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen tun sichlaut PISA mit der Förderung von Kindern aus Arbeiterfamilien schwer.PISA-International hatte bereits aufgezeigt, dass die deutschenSchulen insgesamt weltweit bei diesem Thema die rote Laterne haben.Mehr Ganztagsschulen sollen nun mehr Zeit zum Fördern bieten.