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Nächster Bundeswehr-Skandal Nächster Bundeswehr-Skandal: Sexuelle Übergriffe und Nötigungen in Bad Reichenhall

Von Thorsten Knuf 21.03.2017, 15:13
Interne Ermittlungen laufen derzeit noch. Sie richten sich gegen 14 Beschuldigte.
Interne Ermittlungen laufen derzeit noch. Sie richten sich gegen 14 Beschuldigte. dpa-Zentralbild

Berlin - Die Bundeswehr ist mit einem neuen Skandal um sexuelle Belästigung von Truppenangehörigen konfrontiert. Wie das Verteidigungsministerium dem zuständigen Bundestagsausschuss mitteilte, geht es um einen Obergefreiten, der bis zum Herbst 2016 über zehn Monaten hinweg in einer Gebirgsjäger-Einheit in Bad Reichenhall „durch Mannschaftssoldaten und vereinzelte Vorgesetzte (Ausbilder) seines Zuges mehrfach diskriminiert sowie verbal und tätlich sexuell und belästigt und genötigt“ worden ist.

Das Schreiben des Ministeriums stammt vom Parlamentarischen Staatssekretär Markus Grübel (CDU). Es datiert vom vergangenen Montag und liegt dieser Zeitung vor. Erst Ende Januar war bekannt geworden, dass es im baden-württembergischen Pfullendorf über Jahre hinweg sadistische Praktiken bei der Sanitäter-Ausbildung geben hatte.

Der Betroffene bat darum, nicht in seine Stammeinheit zurück zu müssen

Im neuen Fall wandte sich der betroffene Obergefreite nach Angaben des Ministeriums Anfang Oktober 2016 an den Wehrbeauftragten des Bundestags. Zu diesem Zeitpunkt war der Soldat bereits seit einigen Wochen nicht mehr im bayerischen Bad Reichenhall tätig, sondern bei einem Lufttransportgeschwader im niedersächsischen Wunstorf. Er bat ehedem darum, nicht in seine Stammeinheit zurück versetzt zu werden.

Die internen Ermittlungen in diesem Fall laufen nach Ministeriumsangaben noch. Sie richten sich den Angaben zufolge gegen 14 Beschuldigte, davon zwei Feldwebel, zwei Unteroffiziere und 10 Mannschaftssoldaten. „Der damalige Teileinheitsführer wurde Mitte Dezember 2016 aus seiner Funktion herausgelöst“, schreibt Staatssekretär Grübel. Weiter heißt es: „Diese Vorfälle sind – im Gegensatz zu den Vorkommnissen beim Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf – einer Teileinheit zuzuordnen.“

„Die sexuellen Übergriffe offenbaren ein systematisches Problem bei der Bundeswehr“

Auch die zivile Justiz ist inzwischen mit dem Fall befasst: Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt nach eigenen Angaben gegen mehrere Gebirgsjäger wegen sexueller Belästigung, Volksverhetzung und Verstößen gegen das Tierschutzgesetz.

„Ein systematisches Problem“

Die Opposition im Bundestag gibt sich mit diesen Erklärungen des Verteidigungsministeriums nicht zufrieden. „Die sexuellen Übergriffe bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall offenbaren ein systemisches Problem bei der Bundeswehr“, sagte am Dienstag die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz. Der jetzt bekanntgewordene Fall sei kein Einzelfall. Man müsse ihn vielmehr im Zusammenhang sehen mit dem Skandal von Pfullendorf und der steigenden Zahl von Meldungen über sexuelle Belästigung, die beim Wehrbeauftragten eingehen.

Alle bekannt gewordenen Fälle sexueller Belästigung sollten öffentlich gemacht werden

Die grüne Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger forderte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf, alle bekannt gewordenen Fälle sexueller Belästigung in der Bundeswehr lückenlos öffentlich zu machen und den Anschein von Heimlichtuerei auszuräumen. „Nach den Enthüllungen aus Pfullendorf wurde im Verteidigungsausschuss mehrfach gefragt, ob weitere, ähnlich gravierende Verstöße bekannt sind und untersucht werden“, sagte Brugger. „Das Ministerium hat auch im Fall Bad Reichenhall den Ausschuss nicht proaktiv, sondern nur aufgrund eines Hinweises des Wehrbeauftragten und von hartnäckigen Nachfragen unterrichtet.“

Ein weiterer grober Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft

Von der Leyen selbst äußerte sich am Dienstag in einem Offenen Brief zum Thema sexuelle Belästigung in der Truppe. Allerdings geht es hier um den Fall einer Soldatin, die von einem Kameraden körperlich bedrängt und zum Sex aufgefordert wurde. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Begründung: Nach allgemeinem Verständnis sei nicht davon auszugehen, dass er die Soldatin beleidigen, sondern lediglich sein Interesse an ihr kundtun wollte.

Von der Leyen schrieb nun, dass die Staatsanwaltschaft als unabhängige Behörde zu der Bewertung kommen könne, dass das Verfahren einzustellen sei. Die Wortwahl der Behörde sei aber völlig inakzeptabel. Die Justiz bedeute damit einer Soldatin, dass sie sich übergriffiges und unverschämtes Verhalten von Kameraden gefallen lassen müsse. „Solche Interpretationen sind abenteuerlich und aus der Zeit gefallen“, kritisiert die Ministerin. Der Fall sei für sie auch ein grober Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft. „Und ich dulde in der Bundeswehr kein Verhalten, das die Würde, die Ehre und die Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung von Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Beschäftigten verletzt.“