Nachruf auf Ernst Albrecht Nachruf auf Ernst Albrecht: Aus der Keksfabrik in die Politik

Berlin - Keiner hatte wirklich mit Ernst Albrecht gerechnet, damals 1976. In Niedersachsen war der sozialdemokratische Ministerpräsident zurückgetreten, die CDU hatte in dem Land noch nie eine Chance gehabt. Albrecht schien nur Zählkandidat zu sein – und stand dann doch für eine Zäsur: Der Mann aus der Brüsseler Europa-Bürokratie, Vize-Geschäftsführer einer Keksfabrik und politischer Seiteneinsteiger bekam Stimmen aus dem zerstrittenen sozialliberalen Lager und wurde Ministerpräsident. Er blieb es 14 Jahre, so lange wie kein anderer Regierungschef in Niedersachsen. Abgelöst hat ihn 1990 einer, der später noch höher rückte: Gerhard Schröder.
In der CDU wurde Albrecht durch seinen Erfolg zum Hoffnungsträger. Immer wieder war er für Großes im Gespräch. Dabei allerdings blieb es. Die Unions-Bundestagsfraktion entschied sich 1979 dagegen, ihn zum Kanzlerkandidaten zu machen – statt dessen sollte es CSU-Chef Franz Josef Strauß versuchen. Der verlor die Wahl gegen Helmut Schmidt (SPD). Albrechts Unterstützer Helmut Kohl zog wenige Jahre später die FDP auf seine Seite und wurde selbst Kanzler. Den ewig lächelnden Mann aus Niedersachsen, der mit seinen sieben Kindern klassisch-konservatives gutbürgerliches Leben vorlebte, hätte er wohl gerne zum Bundespräsidenten gemacht, um Richard von Weizsäcker zu verhindern. Weizsäcker aber ließ sich nicht aufhalten. Albrecht, der Theologie, Philosophie und Jura studiert hatte, blieb in Niedersachsen.
Dort ist mit seinem Amtszeit unter anderem das Stichwort Gorleben und Celle verbunden. In Celle hatte der Landesverfassungsschutz mit einem Sprengstoffanschlag auf das Gefängnis versucht, V-Leute in die linksextreme Szene einzuschleusen. Die bis heute andauernden Proteste gegen das Atommüll-Lager in Gorleben gehen zurück auf eine Entscheidung Albrechts. Das Lager sollte mit anderen Atom-Projekten ein „Nuklearzentrum“ im dünnbesiedelten Landkreis Lüchow-Dannenberg an der Grenze zur DDR bilden. Den Bau einer Wiederaufbereitungsanlage sagte Albrecht aber nach massiven Demonstrationen bald ab.
Geachtet wurde Albrecht für seine Entscheidung, Boat-People aus Vietnam in seinem Bundesland aufzunehmen. Vor ein paar Jahren hat seine Tochter Ursula von der Leyen, die bei ihrem Aufstieg auch von den Kontakten und dem Namen ihres Vaters profitiert hat, die Alzheimer-Erkrankung ihres Vaters bekannt gemacht. „Das anfängliche Bemühen, alles zu kaschieren, hat es nur noch schlimmer gemacht“. Sie ist mit ihrer Familie zu ihm gezogen und hat offen über Schwierigkeiten und Skurilitäten des neuen Lebens geredet. Darüber dass ihr Vater manchmal in Restaurants zu singen anfange und dass es ihm Halt gebe, die Ziegen auf dem Grundstück zu füttern. Sie erzählte auch, wie schmerzhaft es für sie sei, für ihren Vater nicht mehr das „Röschen“ zu sein, sondern eine Ursula, die zu Besuch komme.
Von der Leyen hat vom Tod ihres Vaters bei einem Truppenbesuch in Afghanistan erfahren. Ihr Vater habe ein sehr erfülltes Leben gehabt und sei schnell und friedlich gestorben, sagte sie. Ernst Albrecht wurde 84 Jahre alt.
